Manche Dinge dauern etwas länger. Meine Ausrede ist, dass ich ja kaum ein Konzert besuchen kann, wenn ich noch nicht mal die Band kenne. Und leider tue ich das – wie hier beschrieben – erst seit vergleichsweise kurzer Zeit. Kann man nicht ändern – dann halt mein erstes Delain-Konzert erst in der post-Charlotte-Ära. Ort der Handlung: Das Wizemann in Stuttgart, genauer der “Club”. Nahezu ausverkauft würde ich sagen, also mindestens 500 Fans bei eher sparsamer Belüftung. Eben “Club”.

Anreise per Auto in der Stau- und Baustellenhauptstadt Stuttgart erfordert akribische Planung, und so hat das leidlich funktioniert. Das Parkhaus fürs Wizemann-Areal ist etwas abenteuerlich – die Zufahrt, die gleichzeitig Ausfahrt ist, ist breitentechnisch grob einspurig und sehr kurvig, da wäre Gegenverkehr sehr unangenehm, wenn auch im Setting eines solchen Veranstaltungsortes eher unwahrscheinlich – und zudem innen dubios aufgeteilt mit jeder Menge reservierter Parkplätze für “alles-außer-Wizemann-Besucher”. Ein überwindbares Hindernis und nicht mehr als Randnotiz. Und wenn man es nach Konzertende langsam angehen lässt – beispielsweise indem man noch mit freundlichen Fans quatscht – ist das alles entspannt.

Zum Event selbst. Vorgruppe war Xandria. Symphonic Metal aus Bielefeld mit einer langen und wechselhaften Geschichte, die populärste Episode war vermutlich mit Sängerin Dianne van Giersbergen (und “hatte eine niederländische Sängerin” ist nicht die einzige Parallele der Bandgeschichte zu Delain). Von Xandria kannte ich vorher keinen einzigen Song. Hinterher auch nicht, und vermutlich wird sich das auch so schnell nicht ändern. Es war nicht schlecht oder so, sondern im Gegenteil durchaus nett anzuhören. Aber eben auch schnell wieder vergessen. Da mein einziger Wunsch bezüglich Vorgruppen ist, mich nicht zu nerven, war ich also recht zufrieden mit dem “Support Act”. Der Rest des Publikums hatte wohl eher einen Bezug zu Xandria und schien zufrieden bis begeistert. Schön!

Dann also Delain. Meine Eintrittskarte, recht früh erworben, kündete noch von der “The Masters of Destiny Tour”, bezugnehmend auf das Album “Apocalypse & Chill” (genau einmal live performed im Februar 2020, dann kam Corona und dann auch noch der Band-Split) mit dem großartigen aber leider bei diesem Konzert nicht performten Song “Masters of Destiny”. Dann erschien (Release Mitte Februar 2023) aber das neue Album “Dark Waters”, und so wurde daraus die “Dark Waters Tour”.

Die Setlist:

  • The Cold
  • Suckerpunch
  • Burning Bridges
  • Invidia
  • The Quest and the Curse
  • April Rain
  • Underland
  • The Hurricane
  • Beneath (mit Paolo Ribaldini)
  • Queen of Shadow (mit Paolo Ribaldini)
  • Your Body Is a Battleground (mit Paolo Ribaldini)
  • The Gathering (mit Paolo Ribaldini)
  • Don’t Let Go
  • Moth to a Flame
  • Not Enough

Zugaben:

  • Mother Machine
  • Sing To Me (mit Paolo Ribaldini)
  • We Are The Others

Wie man sieht eine bunte Mischung von allen Alben vom Debütalbum bis zum neuesten Release. Logischerweise mit einem Überhang des aktuellen Albums, ein bisserl Album-Promotion ist bei einer Tour ja unvermeidlich.

Wie jede Setlist dieser Welt ist auch diese kritikwürdig – hier ist meine (Achtung – Geschmacksache!): “The Cold” ist einer der schwächsten Songs auf dem neuen Album, warum ausgerechnet der als Intro taugen soll – keine Ahnung. Entsprechend verhalten reagierte nach meiner Beobachtung das Publikum. Und ob man nun unbedingt “Your Body Is a Battleground” braucht, ist fast schon keine Geschmackssache mehr. Der Song ist nicht mal in meiner Delain-Top-50.

Aber dieser Tiefpunkt der Setlist ist gleichzeitig der Anknüpfungspunkt für einen der gewichtigsten Gründe, warum ich dieses Konzert unterm Strich für irgendwas zwischen ziemlich gut und sensationell halte. Denn der Song wird im Duett mit Paolo Ribaldini performt, was der Qualität sehr zuträglich ist – wie überhaupt die Duette von Diana und Paolo live sehr gut rüberkommen. Die beiden Stimmen harmonieren ganz wundervoll. Zwei meiner Delain-Favoriten, “The Gathering” und “Sing To Me”, waren wirklich in dieser Kombination eine absolut großartige Sache. Und “The Gathering” ist ja ursprünglich ein Duett mit Marko Hietala, und diesem Highlight gerecht zu werden – Respekt. Wie ich anderen Setlisten zu dieser Tour entnehme, wurde bei den Zugaben manchmal “Control The Storm” gespielt – da bevorzuge ich “Sing To Me” auf jeden Fall. Glück gehabt.

Ich könnte natürlich eine Menge Lieder aufzählen, die ich gerne zum und beim ersten Mal live gehört hätte. “Tell me, Mechanist”. “Are You Done With Me”. “Get The Devil Out Of Me”. Das schon genannte “Masters Of Destiny”. “We Had Everything”. Aber insgesamt muss man sagen: das hat schon so gepasst. Gute Songauswahl. Sehr überraschend fand ich “Invidia” in der Setlist. Warum war ich eigentlich überrascht? Ein großartiger Song.

Hervorheben will ich auch die gute Soundqualität (im hinteren Bereich von Konzerthallen oft nicht so prickelnd) und das großartige Publikum, das sichtlich Spaß hatte und enthusiastisch bei der Sache war.

Kommt am Ende jetzt der unvermeidliche Sängerinnenvergleich? Da winde ich mich jetzt mal elegant raus und sage, dass ich (leider!) nie live zugegen war, als Charlotte einen Delain-Song live performt hat und mir deshalb logischerweise gar kein Vergleich möglich ist. Was ich aber mit Sicherheit sagen kann: Diana ist genau wie Charlotte eine großartige Sängerin. Und sie singt sowohl alte als auch neue Delain-Songs absolut überzeugend. Und ich kann ehrlich gesagt nicht nachvollziehen, warum einige Fans der Meinung sind, die Stimmen würden sich übermäßig ähneln – ich finde das ganz und gar nicht.

Jedenfalls kann ich für mich festhalten, dass Delain in der Neubesetzung unbedingt einen Konzertbesuch wert sind. Ich freue mich schon auf das nächste. Delain lebt.

Comments are closed.

Post Navigation