Ziemlich genau drei Monate ist es jetzt schon her – mein zweiter Besuch in Utrecht, zum zweiten Mal für ein Konzert von Charlotte Wessels. Es zeichnet sich ein Muster ab. Jedenfalls habe ich ewig an diesem Text rumgedoktort und ihn liegengelassen und Notizen dazugeschrieben und habe mich irgendwie davor gedrückt, den Text in was publikationsfähiges zu überführen. Vielleicht war es die Sorge, dass ein lieblos hingeklatschtes Geschreibsel dem grandiosen Event nicht so richtig gerecht werden würde, dass das Fehlen einer zündenden Idee, einer interessanten mitteilungswürdigen Beobachtung zum Eindruck eines „bemühten Versuchs“ führen würde. Da ich hier aber zuerst für mich als Gedächtnisstütze schreibe und weniger für die hohe einstellige Zahl an regelmäßigen Lesern, und zudem auch nicht demnächst in die Verlegenheit kommen muss, mit Konzertberichten mein täglich‘ Brot zu verdienen, und das ganze Geblogge eigentlich hauptsächlich Spaß machen soll, habe ich mich nun doch dazu durchgerungen, einige Zeilen zu verfassen.

Auch, bevor ich endgültig die vielen Details vergesse – Zeit, die Erinnerungen und Notizen in ein „Konzert-Review“ zu überführen. Genauer: in einen verlängertes-Utrecht-Wochenende-Bericht mit dem Höhepunkt an einem schönen Freitagabend im TivoliVredenburg in Utrecht, Saal „Pandora“: Charlotte Wessels – The Obsession – Live in concert. Nun ja, „Bericht“ – wenn es um Konzerte von Charlotte geht, neige ich ja eher zu „Huldigung“. Man lese meine beiden Abhandlungen zum „Tales From Six Feet Under“-Konzert von Charlotte in Utrecht 2022.

Dieses Mal entschied ich mich für ein paar extra-Tage in Utrecht, um An- und Abreise etwas entspannter anzugehen. Obwohl diese Entscheidung das Verhältnis – Reisekosten – Übernachtungskosten – Konzertkosten vollends ins Absurde driften ließ, war es eine gute Idee – mit mehr Ruhe lässt es sich einfach besser genießen und auch mehr Platz für Aktivitäten drumrum. Vom Eivør-Konzert einen Tag zuvor hatte ich ja schon berichtet, dazu kamen ein paar Zusammentreffen mit anderen Patrons, die ich teilweise noch von Utrecht 2022 kannte – im kleineren (Pancakes bei Anna Pancakes, Burger bei Meneer Smakers) oder größeren (Hangover Hangout Vol. II im Gys) Rahmen.

Ich beginne mit der Erzählung mal mit der Mittagszusammenkunft bei Anna Pancakes in der Utrechter Innenstadt. Ein sehr entspanntes Zusammentreffen mit alten und neuen Bekannten aus dem Patreon-Kreis. Da ich „aus Gründen“ mehr das Pikante denn das Süße bevorzuge, entschied ich mich neben dem obligatorischen Earl Gray für einen Pancake namens „Morning Shizzle“ mit zusätzlich etwas Räucherlachs, was geschmacklich ein absoluter Volltreffer war, und zudem kunstvoll angerichtet. Kein Wunder, dass einige Patrons noch von ihrem Zusammentreffen damals 2022 schwärmten und deshalb für 2024 die Wiederholung ansetzten. Zudem erfolgte hier die konspirative Übergabe der neuesten NSFW-T-Shirt-Kreation mit dem kaum missverständlichen „Pien is rising“-Aufdruck – jedenfalls für Charlotte-Kenner, die mit „Venus Rising“ was anfangen können und die Ziege namens Pien kennen sowie das Misheard-Lyrics-Projekt, das in einem sehr lustigen Video für Charlotte endete. Wer allerdings (wie ich) mit diesem T-Shirt durch die Innenstadt von Utrecht läuft, kommt nicht umhin zu bemerken, dass der Schriftzug durchaus für hochgezogene Augenbrauen bei den Uneingeweihten (also: fast allen) sorgen kann. Ein sowohl merkwürdiges als auch amüsantes Gefühl.

Und dann wurde es auch schon Zeit, sich langsam fürs Konzert anzustellen. In 2022 war das Konzert noch im deutlich größeren Saal „Ronda“ im TivoliVredenburg, der damals nicht ganz voll wurde. Diesmal eine Nummer kleiner im Saal „Pandora“, der restlos ausverkauft war – das dürften rund 700 Besucher gewesen sein. Der Saal befindet sich im siebten Stock des TivoliVredenburg und ist über eine wilde Abfolge von Rolltreppen zu erreichen – was auf dem Hinweg sehr einfach und geradeaus und es-gibt-nur-einen-Weg-nach-oben wirkte, zum Rückweg dann später mehr.

Diesmal machte ich keinen Stop beim Merchandise – es sah sehr voll aus, und ich fühlte mich T-Shirt-mäßig schon sehr gut ausgestattet. Also direkt in den Saal, eine gemütliche Ecke direkt vor dem Mischpult für die optimale Übersicht über das Geschehen ausgesucht. Als Support Act war „Faunea“ angekündigt, ich hatte vorab recherchiert und auch schon vorsichtige Skepsis geäußert vor allem ob des mancherorts gezogenen Vergleichs mit Bjork. Es stellte sich dann aber im Setup „Frau mit akustischer Gitarre“ (im Gegensatz zu den sehr elektronischen synthilastigen Studioversionen) als sehr gut hörbar und vor allem gesanglich hochklassig heraus. Musikalisch nicht mein Ding, aber auch nicht nervig. Und was könnte man mehr von einem Support Act erwarten. Auch soundtechnisch gut abgemischt, was die Vorfreude noch steigerte.

Und so begann nach einem kleinen Intro endlich das Hauptereignis mit dem Opener „Chasing Sunsets“ (keine separate Setlist in diesem Artikel, die gibt es ja zum Nachlesen bei Setlist.fm), eines meiner Lieblingsstücke vom neuen Album „The Obsession“, das auch dem Konzert seinen Namen gab. Und auch live bleibt festzustellen: mit „The Obsession“ haben Charlotte und Band das Kunststück vollbracht, das bisher noch keiner geschafft hat: ein Album voll mit überarbeiteten Versionen von Songs, die ich in ihrer früheren Patreon-Song-Of-The-Month-Inkarnation schon sehr mochte, aber in der Neufassung noch viel besser finde. Üblicherweise, wenn ich mich mal an eine Fassung eines Songs gewöhnt habe, bleibt das für immer meine bevorzugte Version. Nicht so bei den „The Obsession“-Versionen, die ich allesamt besser finde als ihre Urfassungen. Und „Chasing Sunsets“ macht da keine Ausnahme. Der Song ist deutlich härter und metalliger geworden, und – um einen ehemaligen Bürgermeister von Berlin zu zitieren – das ist auch gut so.

Bei „Chasing Sunsets“ schien es einige Probleme mit dem Mikrofon von Charlotte zu geben, man fühlte sich soundtechnisch ganz kurz an die legendären Crowdcast-Audioprobleme bei den Hangouts erinnert, aber wenn ich das von hinten richtig beobachten konnte, war nach einem Mikrotausch alles wieder in Ordnung.

„Dopamine“ folgte, auf dem Album bekanntlich ein Duett mit der großartigen Simone Simons von Epica – die Simone-Fans mögen es mir verzeihen, aber der Song ist live mit Charlotte-Solo-Gesang genauso gut.

Dann wurde die Mischung etwas bunter – Afkicken vom TF6FU Vol.I und Pity Party, SotM #50 vom Mai 2024, bisher auf keinem Album aufgetaucht. Nicht mein Song-Favorit, aber in der Live-Version definitiv der 6FU-Studio-Version vorzuziehen. Mit „Toxic“, „Cry Little Sister“, „Human To Ruin“ und „Superhuman“ kamen dann vier Klassiker aus der TF6FU-Zeit zur Aufführung, bevor mit „Soulstice“ wieder zum aktuellen Album umgeschwenkt wurde. Obwohl die Songs definitiv – Vorsicht, große Worte – aus unterschiedlichen Äras stammen, wirkte der „Song Flow“ im Live-Setting ganz natürlich und harmonisch. Erstaunlich.

Mit „Ode To The West Wind“, eine der Single-Auskopplungen von „The Obsession“ und im Original ein Duett mit Alissa White-Gluz, kam auch (endlich!) Eli mit dem Cello zum Einsatz. Die „harsh vocals“ übernahm wie üblich Otto, der die Aufgabe routiniert erledigte. Und genau wie bei „Dopamine“ fand ich, dass Charlotte diesen Song auch solo überzeugend darbrachte. Und dass Charlotte auch in Hinsicht auf „harsh vocals“ Fortschritte gemacht hat, bewies sie dann bei „The Excorcism“. Sie war voll im Flow und growlte die entsprechenden Passagen mit einer Inbrunst – Respekt. Sie hatte in der Vergangenheit immer wieder betont, dass sie da bei den Growls noch etwas mehr üben muss und immer noch etwas Sorge hat, dass es ihre Stimme möglicherweise zu stark belastet. Vielleicht war deshalb auf der Setlist danach „Combustion“ (ein Instrumental-Stück aus Delain-Zeiten, bei dem die vier Musiker wirklich alle ihr Können unter Beweis stellen dürfen) angesetzt, damit sich die Stimme für 5 Minuten erholen konnte, nur für den Fall der Fälle? Kann ich mir bei Charlotte als akribische Planerin durchaus vorstellen.

Für den nächsten Song, „Praise“, kam dann gesangliche Unterstützung auf die Bühne: zwei Sängerinnen und ein Sänger übernahmen den Vocal-Part des Gospel-Chors, der für die Studio-Version von „The Obsession“ den Gesang geliefert hat. Ich sage mit Absicht nicht „Background-Gesang“, denn das wäre untertrieben. Das Wechselspiel zwischen Chor und Charlotte bei den Vocals gelang auch im Live-Setting ausgezeichnet. Und man könnte sagen, es bereitete den Boden für das erneut wundervolle „All You Are“, bekanntlich eines der eher softeren Lieder aus dem Werk der Charlotte Wessels.

Es folgte „Vigor and Valor“ – oder doch „Vigor & Valor“ (Original-Titel SotM) oder etwa (wie auf dem Album-Cover) „Vigor + Valor“? Jedenfalls ist dieser Song einer meiner Favoriten, schon als Song of the Month, aber noch mehr in der Album-Version von „The Obsession“. Eine runde Sache inklusive des „Breathe“-Outros.

Hatte ich vorher von der akribischen Planerin Charlotte Wessels geschrieben, so verkörpert der dann folgende Song „Backup Plan“ dieses Mindset perfekt – zumindest dem Titel nach. Und es ist auch der Moment, um mal das Bühnenbild anzusprechen – zwei riesige Kronleuchter thronten über der Bühne und verbreiteten irgendwie ein heimeliges Gefühl. Ein paar Wochen nach dem Konzert las ich von einem Stromausfall mitten in einem Rock-Konzert, und musste sofort an die Kronleuchter denken: hatte Charlotte womöglich ein paar Kerzen in petto, als ultimativen „Backup Plan“ für den Fall der Fälle?

Vor den Zugaben dann ein kurzes Überstreifen des passenden T-Shirts mit der Aufschrift „I ❤ Crying“, denn „The Crying Room“ stand an. Charlotte verarbeitet in diesem Stück ihre Ängste, unter anderem davor, auf der Bühne vor vielen Menschen zu stehen, und ich vermute, sie hat mit dem T-Shirt eine Art Bewältigungsritual etabliert, um dem ganzen Problemkomplex eine heitere Seite abzugewinnen. Nebenbei: auf der anschließenden Support-Tour mit Vola schaffte es eine leicht „vergothte“ (schwarzes Herz!) Variante des Shirts mit dem bekannt schlecht leserlichen Font, der auch das The Obsession-Cover ziert, ins Merchandise-Programm, und Charlottes Ansage nach Übertreifen des Shirts fügt inzwischen auch den willkommenen kapitalistischen Effekt dieser ganzen Aktion mit einem Augenzwinkern hinzu. In Patron-Kreisen ist das T-Shirt absolut zum Kult avanciert. Jenseit von all diesem „Gedöns“ soll aber nicht davon abgelenkt werden, dass „The Crying Room“ insbesondere in der Album-Version ein wirklich wunderschöner Song ist. Auch und besonders live. Quasi „zum Heulen schön“.

Und schon sind wir bei den Zugaben, bevor das Konzert dann nach gut zwei Stunden endete. „Against All Odds“ in der bekannten „Unplugged“-Fassung mit Otto, Timo und Charlotte, die aber letztlich auch die Original-Fassung von TF6FU Vol. II ist. „Reduce To The Max“ war mal ein Werbespruch unter anderem für einen Kleinstwagen im Premiumpreissegment von einem Hersteller, den ich ungenannt lassen will. Aber das Motto trifft hier zu, die Trio-Besetzung und genauso viel oder wenig, wie dieser Song braucht. Und fürs Publikum ein Moment zum Verschnaufen und sich an die gute alte Zeit zu erinnern, als man noch Feuerzeuge bei Konzerten schwenkte. Wer bei „The Crying Room“ noch keine feuchten Augen hatte, war spätestens jetzt in Gefahr.

Es folgte „Serpentine“, als SotM #35 noch „The Butterfly Effect“ genannt. Ein Song mit einer ganz bezaubernden Piano-Verzierung, die vermutlich jeder, der das Lied schon kannte, im Geiste schon antizipierte. Und ein weiterer Song in der Liste derjenigen, die von der Band-Überarbeitung für die Album-Version extrem profitierte: das Timo-Somers-Gitarrensolo ist jedenfalls phantastisch. Da wippt der Kopf, und das Herz geht auf.

Oft redet man vom „krönenden Abschluss“, und selten ist es so gerechtfertigt wie hier, denn der letzte Song war „Soft Revolution“, natürlich in der 2024er Album-Version. Auch hier ist natürlich das phantastische Timo-Solo zu nennen, aber generell ist der Song ein Meisterwerk und nach wie vor mein Liebling im an Highlights nicht armen Wesselschen Werk. Und in dieser speziellen Version kam noch die Unterstützung vom Chor hinzu, nochmal ein zusätzliches gewisses Etwas. Hatte ich vorher noch von „Reduce To The Max“ geschrieben, lief das eher unter „More is More is Better“. Das Publikum jedenfalls war der gleichen Ansicht und belohnte die gesamte Performance mit dem wohlverdienten langanhaltenden Applaus.

Nach dem Konzert habe ich auch die Chance genutzt, mit ein paar alten Bekannten von vor zwei Jahren ein paar Worte zu wechseln. Es tut immer wieder gut, die wunderbaren Eindrücke eines solchen Ereignisses direkt mit Gleichgesinnten zu teilen. Auch der Community-Aspekt ist durchaus Teil der Charlotte-Magie. Weniger magisch, sondern eher verstörend, war dann mein Tagesabschlussversuch, aus dem siebten Stock des TivoliVredenburg-Labyrinths wieder ins Freie zu gelangen. Nicht weniger als drei Mitarbeiter (oder waren es nur zufällig herumstehende unbeteiligte Besucher?) musste ich fragen, um die richtigen Rolltreppen nach unten zu erwischen. Wo sind die hilfreichen Hinweisschilder wenn man sie mal braucht. Jedenfalls beeindruckend, was auf jeder Ebene dieses Gebäudekomplexes so alles abgeht zu später Stunde. Sogar an einer Tischtennisplatte bin ich auf meiner Kurzodyssee vorbeigekommen.

Noch ein paar beiläufige Anmerkungen zum Abschluss – in Anbetracht des Gesamterlebnisses so unbedeutend wie unspektakulär. Wie immer muss ich die „Bühnenatmosphäre“ loben. Es fühlt sich immer an wie wenn gute Freunde zusammen Musik machen. Die Atmosphäre wirkt so liebevoll und gleichzeitig entspannt und humorvoll. Voller Freude und auch gegenseitigem Respekt und Zuneigung. Besonders das „Trio“ bei Against All Odds bestehend aus Otto, Timo und Charlotte unterstrich das nochmal.

Irgendwie ist mir auch das Detail unter dem Arbeitstitel „Der Kampf gegen die Luftschlangen“ im Gedächtnis geblieben. Ich habe keine Ahnung wie die Dinger im Event-Fachjargon heißen, es scheinen die Nachfolger von Konfetti-Kanonen zu sein: es werden lange Papierbänder, eben Luftschlangen, aus der Höhe der Bühne im Bogen Richtung Publikum abgeschossen. Das hat neben dem „Aha-Effekt“ dank Flugbahn und Mehrfarbigkeit auch potenziell unerwünschte aber interessante Auswirkungen: einige landen auf der Bühne, was den unverzichtbaren Beardboy zu einem Kurzeinsatz mit dem Besen veranlasste. Und einige bleiben im Hallendeckengerippe und den Scheinwerfern hängen, was sowohl für Publikum als auch Künstler teils zu leichten Irritationen und zu mückenverscheuchartigen hektischen Bewegungen führte. In den diversen Videos auf YouTube vom Konzert kann man einige dieser Luftschlangen da unmotiviert im Bild rumhängen sehen.

Das nächste Konzertereignis dieser Art wird die derzeit für 2025 einzige „Headliner-Show“ im Bibelot in Dordrecht am 2025-02-21 . See you there!

Und damit endet dieser Bericht. Vielleicht schreibe ich noch ein einen Folgeartikel zum „Hangover Day“ am nächsten Tag inklusive „Hangover Hangout“, denn dieser Artikel hier ist schon wieder viel zu lang geworden. Man stelle sich vor, ich hätte den direkt nach dem Konzert verfasst, als ich noch nicht die Hälfte vergessen hatte – nicht auszudenken, das hätte ja kein Schwein gelesen. Gruß an alle, die bis hierher durchgehalten haben.

Noch ein spezieller Service für Charlotte-Patrons: hier der Link zum „The Obsession Release show photoblog“, um mit Hilfe einiger sehr schöner Fotos (auch zur Illustration „Profis machen echt viel bessere Fotos“ geeignet) in Erinnerungen an dieses Konzertereignis zu schwelgen.

Nach dem sanften Aufgalopp gestern bei der unvergleichlichen Eivør bin ich jetzt voller Vorfreude auf das eigentliche Highlight des verlängerten Wochenendes: Charlotte Wessels: The Obsession Live in concert. Utrecht, TivoliVredenburg, 19.45h geht es los. Diesmal im „Pandora“-Saal, ausverkauft, es sind also etwa 600 Zuschauer/-hörer zu erwarten. Das ist ungefähr so das Limit, bei dem ich Konzerte noch genießen kann, je größer es dann wird desto schwieriger.

Support Act ist Faunea. Nie gehört. Offenbar eine Dänin mit peruanischen Wurzeln. Die Songs „Dark electronic vibe“ und die Stimme „a delightful combination of lightly intimate yet surprisingly powerful and dark.“. Wird ab und zu mit Björk verglichen, was wir in Anbetracht der Gefahr einer Schmälerung der Vorfreude gleich wieder vergessen. Aber bei allen Vorgruppen gilt es, vorurteilsfrei zuzuhören, und die letzten Jahre wurde ich deutlich seltener enttäuscht und/oder genervt als die Jahrzehnte davor. Wird schon passen.

Zurück zur Charlotte-Vorfreude. Der letzte Vorfreudebericht war ja noch vor dem Album-Release – da gab es zwar schon vier der fünf vorab veröffentlichten Singles (sind es eigentlich noch Singles, wenn es weder CD-Singles noch Vinyl-Singles davon gibt?), die deutlich die Richtung anzeigten, aber man ist sich ja nie ganz sicher. Jetzt kann ich aber eins sagen: das komplette Album ist ein absoluter Volltreffer, insbesondere Vigor & Valor sowie Soft Revolution sind in der „Band-Fassung“ nicht weniger als sensationell. Ja, das konnte die Vorfreude noch um einiges steigern.

Auch das „Eingrooven“ bei Anna Pancakes mit ein paar anderen „fellow masterpieces“ war wunderbar. Jetzt aber noch kurz etwas entspannen, bevor dann das Konzert losgeht. The Hype Is Real.

Weil es zeitlich zufällig mit meinem Utrecht-Ausflug zwecks „Charlotte Wessels – The Obsession live in concert“ zusammengepasst hat, habe ich gerade/soeben/gestern Abend das Vergnügen gehabt, einem Eivør-Konzert beizuwohnen. Wer Eivør nicht kennt (so wie ich bis vor zwei Jahren oder so nicht mal dem Namen nach): sie ist eine Singer-/Songwriterin von den schönen Färöer-Inseln, die es hierzulande zu einiger Bekanntheit schafften nicht nur aufgrund des leicht gereizten Auftritts von Rudi Völler nach einem blamablen Spiel der Fußball-Nationalmannschaft im Juni 2003 (ja, so lange ist das schon wieder her…wir waren damals gerade amtierender Vize-Weltmeister, die Älteren erinnern sich). Immerhin reichte es damals noch zu einem 2:0-Zittersieg nach 89 torlosen Minuten gegen den erwartet starken Gegner – am Ende führte es zum legendären „Weißbier-Waldi-Interview“ nach einem Unentschieden gegen die nicht minder starken Isländer Ende 2003. Aber ich schweife ab – Musik soll das Thema sein. Durch die Mitarbeit am Soundtrack für zwei Teile der „God of War“-Spielereihe ist Eivør auch außerhalb der verschworenen Fangemeinde bekannt geworden. Und mit ihrem Auftritt in Wacken 2023 erschloss sie nochmals ein ganz anderes Publikum. Oder vielleicht doch das Gleiche?

Zurück zum Konzert. Ort der Handlung: TivoliVredenburg, Utrecht – Saal „Ronda“, ausverkauft – also vermutlich so um die 2000 Zuschauer. Support-Act war Sylvaine, dahinter steckt die norwegische Musikerin Kathrine Shepard. Und die kann echt gut singen – heidanei, wie der Schwabe sagt, oder „wow“ für die Restdeutschland-Fraktion. In der Wikipedia wird das Projekt unter „Black Metal“ und „Blackgaze“ (und da ist sie wieder, meine Überforderung mit den diversen Metal-Subgenres) einsortiert. Keiner der performten Songs waren in irgendeiner Art „Metal“, zumindest für meine Ohren. Es war eher so „mystischer Folk“ würde ich sagen. Atmosphärische Klänge mit Super-Gesang. Den Abschluss bildete eine A-Capella-Version eines alten norwegischen Volksliedes. Große Sangeskunst. Laut Wikipedia gibt es Sylvaine auch in der Live-Ausprägung mit Bandbesetzung, aber heute war Solokunst angesagt.

Kommen wir zu Eivør. Sie singt bunt gemischt in Englisch und Färöisch (Färösisch? Färingerisch?). Bei letzterem kann man sich also voll auf die musikalische Atmosphäre konzentrieren und wird nicht durch etwas schnödes wie Lyrics abgelenkt. Tatsächlich funktioniert das sehr gut – die Musik ist problemlos in der Lage, das „Gefühl“ zu transportieren, und die einleitenden Worte – Kompliment für die diversen Ansagen, der Dame sitzt wirklich der Schalk im Nacken – reichen völlig aus, um das Thema grob zu umreißen – den Rest erledigt die Phantasie des Zuhörers.

Wer jetzt von mir erwartet, den Musikstil hier einzugrenzen – keine Chance. Die Songs reichen von „mystischem Folk“ (hey, diese Idee für eine Genre-Bezeichnung gefällt mir so gut, dass ich sie hier gleich noch mal erwähnen will – das setzt sich sicher in der Breite durch!) bis hin zu etwas poppigen Nummern. Manchmal sparsam instrumentiert, teilweise nur mit E-Drums untermalt, aber dann wieder „volle Lotte“ mit Synthi, E-Gitarre und Schlagzeug. Und einem Bass-Fiedel-Dings-Instrument, das ich leider aufgrund mangelhafter musikalischer Grundbildung nicht genauer benennen kann. Genausowenig wie die große Trommel, mit der Eivør bei einigen Songs den Grund-Beat schlägt, beispielsweise bei „Trøllabundin“, was nach meinem Eindruck einer der Fan-Favourites war.

Insgesamt war das ein wirklich spezielles Erlebnis. Zwei herausragende „nordische“ Sängerinnen an einem einzigen Abend. Und obwohl die Songs nun gar nicht meinen favorisierten Genres zuzuordnen sind, habe ich trotzdem gerne und aufmerksam zugehört. Und das ist fast das größte Kompliment, das ich für „nicht mein Genre“-Künstler zu vergeben habe. Und vergnüglich war es obendrein – ich erwähnte es oben schon. Gesangstechnisch war es jedenfalls Spitzenklasse.

„Einmalig“ steht im Titel dieses Blog-Posts. Ich empfehle jedem, auch mindestens einmal im Leben das Eivør-Erlebnis mitzunehmen. Ich bin jedenfalls glücklich und zufrieden damit. Ob es bei „ein Mal“ für mich bleiben wird, da muss ich jetzt erst mal drüber schlafen.

Zwei Dinge stehen demnächst an, auf die ich mich wie ein Schneekönig freue (da fällt mir ein, dass ich die Herkunft dieses Sprichworts gar nicht kenne…wie freut sich ein Schneekönig…und was ist das überhaupt, ein Schneekönig?): Release des neuen Charlotte-Wessels-Albums „The Obsession“ am 20. September, und die „Release Show“ in Utrecht im TivoliVredenburg am 4. Oktober. Fast zwei Jahre nach der legendären „Double Release Show“ namens Tales From 6 Feet Under, die mir damals zwei Blogeinträge wert war.

Als Patron der schönen Künste kenne ich die Lieder der Tracklist des neuen Albums natürlich schon, aber eben „nur“ die initialen Patreon-Versionen und nicht die finalen, mit der ganzen Band erarbeiteten und aufgenommenen Versionen die auf dem Album sein werden. Und die inzwischen vier releasten Songs – The Exorcism, Chasing Sunsets, Dopamine und The Crying Room – lassen mich da ein Muster erkennen. Nämlich, dass ich die neuen Band-Versionen fürs Album sooooooo gut finde. Was einigermaßen ungewöhnlich ist, denn in der Regel bin ich bei Songs die ich gut finde sehr stark auf die initiale, liebgewonnene Version geprägt. Aber bei der Ausnahmekünstlerin gibt es dann wohl die Ausnahme von der Regel.

Und jetzt hat ein Album-Vorab-Reviewer auch noch ein weiteres Vorfreude-Fass aufgemacht und in den höchsten Tönen die neue Version von „Soft Revolution“, meinem absoluten Lieblingssong und auf dem neuen Album der finale Track, gelobt. Wer hat da nicht sofort die Assoziation „krönender Abschluss“. Und bekanntlich ist ja auch noch einer meiner Lieblingssongs, Vigor & Valor, auf dem neuen Album vertreten. The suspense is killing me. Und nein, Vorfreude ist nicht die schönste Freude. Wenn ich zum Konzert nach Utrecht fahre, auf dem Weg dorthin das neue Album auf Repeat hören werde – DAS wird die schönste Freude sein. Dann das Konzert, der voraussichtlich allerschönsten Freude.

Aber bis dahin…freue ich mich eben an der Vorfreude.

Die Vorgeschichte dieses Konzertbesuchs im Colos-Saal zu Aschaffenburg beginnt im April diesen Jahres. Ich weilte in den Niederlanden zwecks eines großartigen Konzertereignisses im weltweit bekannten Musik-Hotspot De Bosuil in Weert, Provinz Limburg. Support-Act aka „Special Guest“ bei der wunderbaren Charlotte Wessels war die niederländische Combo Blackbriar mit der ebenso wunderbaren Zora Cock als Sängerin. Und was die da performt haben, fand ich schon ziemlich gut. Als dann eine Double-Headliner-Tour zusammen mit Ad Infinitum (da kannte ich zu diesem Zeitpunkt nur die Sängerin Melissa Bonny, allerdings nur in ihrer Funktion als Sängerin von The Dark Side Of The Moon mit dem May-It-Be-Duett zusammen mit Charlotte Wessels (ja, ein Enya-Cover), und auch aus einem sehr sehens- und hörenswerten Gastauftritt beim Song und Video von „Ding“ in der Coverversion von Feuerschwanz) angekündigt wurde, war Aschaffenburg terminlich und räumlich die Konzertlocation der Wahl.

Wie sich dann herausstellte, kam auch noch Phantom Elite als Support-Act dazu. Eine eher unbekannte niederländisch-brasilianische Metal-Band, die konsequenterweise auch nur bei der niederländischen Wikipedia einen Eintrag hat. Also eine mir bekannte und zwei mir unbekannte Bands mit dem einigenden Attribut „Heavy Metal“. Ob das gutgeht? Zudem mein erstes Konzert, bei dem ich von keinem der Beteiligten einen Tonträger zu Hause habe. Was kann schon schiefgehen.

Zuerst also Phantom Elite. Ich bin kein Experte bei den zig Metal-Stilrichtungen von Symphonic Metal über Metalcore bis Progressive Metal, die angeblich oder tatsächlich bei Phantom Elite zusammengebraut werden. Ich kann nur sagen: das fetzt, das rockt, das bangt. Die Sängerin Marina La Torraca ist eine Naturgewalt, sowohl was das gesangliche Vermögen als auch die Bühnenpräsenz angeht. Dazu ein alter Bekannter auf der Bühne: Siebe Sol Sijpkens, im Hauptberuf Bassist bei Blackbriar und damit an diesem Abend gleich doppelt im Einsatz, mischt auch bei Phantom Elite mit. Seine Hyperaktivität auf der Bühne macht einfach Spaß beim Zuschauen. Strich drunter: eine großartige Stunde Musik. Bin jetzt Fan.

Als Nächstes: Blackbriar. Mit einem ähnlichen Set am Start wie damals bei Charlotte, bin ich erneut begeistert. Zoras Gesang ist etwas ganz Besonderes, zwischen zerbrechlich und ver- und bezaubernd, die Songs mit wunderschöner Melodieführung, dazu die zwei Jungs an der Stromgitarre und Siebe am Bass noch dazu – großes Kino. Ist es jetzt Goth Metal oder Symphonic Metal oder Alternative Metal? Wurscht. Es ist einfach großartig. War, bin und bleibe Fan.

Kommen wir zu Ad Infinitum. Melissa Bonny war gesundheitlich leicht angeschlagen – dass man das aber nur bei den Ansagen zwischendurch gemerkt hat und nicht bei der Performance der Songs, spricht für ihre unglaubliche Professionalität. Und was diese Frau auf der Bühne abzieht und zudem souverän zwischen Clean und Harsh Vocals hin- und herwechselt – erneut: ganz großes Kino. Bin jetzt Fan.

Damit bleibt nach etwa vier Stunden die Erkenntnis des Abends: wieder sind aller guten Dinge drei. In diesem Falle alle drei. Und nach meinem Empfinden ging es dem Rest des Publikums im pickepackevollen Saal genauso.

Und was ist mit Kritik? Nur (Neu-)Fanboy-Geschreibsel hier? Aber nein. Denn leider leider hat ein sehr tauber Toningenieur am Mischpult den Konzertgenuss doch etwas getrübt. Zu viel Bass, zu viel Drums, zu wenig Gesang. Shame on you, Mister Sound Engineer. Denn während meistens mehr tatsächlich mehr ist, wäre in diesem Falle weniger mehr gewesen.

Schrieb ich oben was über die völlige Abwesenheit physischer Tonträger dieser Bands in meinem Besitz? Beim nächsten Konzert, und zwar egal von welcher dieser drei Bands, werde ich das nicht mehr schreiben können.

Für die Zwecke einer schönen Alliteration wäre es besser gewesen, den Titel „Müde Männer machen Musik“ zu wählen, aber nichts könnte weiter von meinem Eindruck vom letzten Sonntag entfernt sein. Vielleicht „Muntere Männer machen Musik“? Warum nicht gleich „Musik macht müde Manner munter“? Naja – wir sind doch hier nicht bei Axel Frischmilch.

Scherz beiseite. Tatort war die Liederhalle in Stuttgart, der „wunderbar geschmückte Hegel-Saal“ (Zitat Günther Sigl). Obwohl Ankündigung und Ticket eher auf „Double Headliner“ schließen ließ, war die Aufteilung der Auftrittsdauer ganz in meinem Sinne: etwa 1h machte die Münchener Freiheit den Anheizer, nach etwa 20min Umbaupause kam dann die Spider Murphy Gang mit ihrem vollen Set von über zwei Stunden zum Einsatz.

Die Jungs von Grachmusikoff traten zuletzt unter dem selbstironischen Motto „Too old to die young“ auf, und besonders bei den Spiders mit den zwei Gründungsmitgliedern Günther Sigl und Barney Murphy (aka Gerhard Gmell – Randnotiz: Wikipedia, IMDB, Spider-Homepage, seine eigene Homepage und der Rest der Welt scheinen sich uneinig, ob er nun „Barny“ oder „Barney“ heißt…die Wikipedia verwendet konsequenterweise beide Schreibweisen, um die Verwirrung noch zu steigern) – seit 1977 zusammen auf Tour in Sachen Rock’n’Roll – trifft dieses sicherlich voll zu. Bei der Münchener Freiheit, gegründet 1980, ist immerhin noch Gitarrist Aron Strobel, der auch zusammen mit dem ehemaligen Sänger Stefan Zauner die bekannten Hits geschrieben hat, als Gründungsmitglied an Bord. Mit Jahrgang 1958 ist er aber über 10 Jahre jünger als „Bühnensenior“ Günther Sigl.

Das eher honorige Ambiente der Stuttgarter Liederhalle – wie gesagt, der wunderbar geschmückte Hegel-Saal war Ort der Handlung – wo tendenziell eher klassische Konzerte und ab und an auch Konferenzen stattfinden war also durchaus angemessen für diese beiden Bands, die vor allem in den 80ern des vergangenen Jahrhunderts deutsche Musikgeschichte geschrieben haben. Auch schon wieder 40 Jahre her.

Natürlich war es unvermeidlich in den 80ern, die Lieder der Münchener Freiheit zu kennen. Kaum jemand aus meiner Generation hat nicht „Ohne Dich schlaf‘ ich heut‘ Nacht nicht ein“ oder „Solang man Träume noch leben kann“ gehört und gekannt. Zumindest den Refrain kann praktisch jeder mitsingen. Und ich durfte feststellen, dass mein 80er-Gedächtnis noch voll intakt ist und ich von den 13 gespielten Liedern die damals mir bekannten 10 weiterhin weitgehend textsicher mitsingen kann. Immer noch nicht voll mein Geschmack, weil etwas zu poppig und schlagerartig, aber man kann sich das sehr gut eine Stunde lang anhören ohne es zu hassen. Und das ist ja wirklich für einen „Support Act“ schon eine herausragende Leistung. Mindestens der halbe Saal jedenfalls war ziemlich begeistert. Auch wenn ich zugeben muss, dass mich der Sänger (nicht mehr Gründungsmitglied Stefan Zauner, sondern seit 2012 Tim Wilhelm) nicht ganz abgeholt hat – die Stimmfarbe ist einfach anders und klingt für mich, der ich die Lieder nur im Original und aus der Konserve kenne, irgendwie „falsch“. Nicht schlecht, aber eben anders. Hier die Setlist zum Nachlesen.

Nebenbemerkung: keines der Gründungsmitglieder ist gebürtiger Münchener, im Gegenteil haben sich da drei waschechte Schwaben (zwei württembergische, ein bayerischer) in das Lineup gemischt. Der Name war und ist also nicht unbedingt Programm wenn man so will.

Sehr angenehm fand ich, dass die Lieder live einen deutlich rockigeren Eindruck machen als aus der Konserve, die ja doch eher poppig-flauschig-zuckersüß daher kommen. Die E-Gitarre von Aron Strobel ist im Mix sehr präsent und trägt zusammen mit dem Bass von Michael Kunzi den entscheidenden Teil dieser angenehmen Härte bei.

Kommen wir zu den Spiders. Günther war sehr gut aufgelegt und hatte einige erweiterte Ansagen in petto, zuzüglich der Klassiker vor „Mit’n Frosch im Hois und Schwammerl in de Knia“ – von Menschen, die auch selbst „Hokuspokus“ auswendig kennen, gerne mit einem überraschenden Auftauchen von „Immer auf die Kleinen“ in der Setlist verwechselt – und natürlich die feinen Textanpassungen bei „Überdosis Rock’n’Roll“ und „Wo bist Du?“, um das Kennerherz zu erfreuen (ich warte ja seit über 20 Jahren darauf, dass die „DDR“ mal aus dem Text von „Ich grüße alle und den Rest der Welt“ verschwindet). Und immer wieder der Hinweis auf den „wunderbar geschmückten Hegel-Saal“. Gefehlt hat eigentlich nur die Willie-Duncan-Geschichte vom einzigen Schotten weltweit, der bayrisch singt. Aber manchmal ist ja das Weglassen die große Kunst. Sehr gefreut hat mich der kurze Rückblick auf das 40jährigen Jubiläumskonzert, das mir noch in bester Erinnerung ist.

Die Setlist war dann eher Standard:

  • Überdosis Rock ’n‘ Roll
  • Rock ’n‘ Roll Schuah
  • Vis-a-vis
  • So a Nacht
  • Mit’n Frosch im Hois und Schwammerl in de Knia
  • Sommer in der Stadt
  • Ich grüße alle und den Rest der Welt
  • Pfüati Gott Elisabeth
  • Schickeria
  • Wer wird denn woana
  • Ich schau‘ dich an (Peep Peep)
  • Wo bist Du?
  • Skandal im Sperrbezirk

Zugaben:

  • Achterbahn
  • Herzklopfen
  • Mir san a bayrische Band

Wie immer hat Günther seinen sehr optimistischen Ausblick auf die nächsten Jahre verkündet, wie lange die Spiders noch auf der Bühne stehen werden. Ich könnte mir vorstellen, dass mindestens das 50jährige Bühnenjubiläum noch ein realistisches Ziel sein dürfte. Auch wenn man bekanntlich, selbst wenn man junggeblieben ist, nicht jünger wird. Im Gegensatz zur Münchener Freiheit jedenfalls ist kaum vorstellbar, dass die Spiders den Sänger wechseln und weitermachen. Das wäre wie die Rolling Stones ohne Mick Jagger. Wobei, Queen ohne Freddy Mercury wurde ja auch versucht…

Dieses Konzert-Review ist einer besonderen Person gewidmet, die leider nicht zum Konzert kommen konnte.

Aller guten Dinge sind drei. Alter Spruch. Zeit, ihn mit Leben zu füllen: nach Utrecht (Oktober 2022, TivoliVredenburg) und Weert (April 2023, De Bosuil) nun der würdige Abschluss der „Tales From Six Feet Under – Live In Concert – Dutch Clubtour“ im MEZZ in Breda.

Hinfahrt war zäh – Anreise am Freitag schien eine gute Idee, um einen Tag Entspannung vor dem Konzert zu haben. Aber spätnachmittags durch die Niederlande war der Verkehr eher suboptimal. 8h30min stand am Ende für 560km. „Zäh“ scheint da ein angemessener Begriff.

Ich überspringe mal das Drumrum vom Hotel über den Fußmarsch durch Etten-Leur mit Enten- und Gänse-Beobachtung bis zum Sightseeing in Breda (aufgeschoben ist nicht aufgehoben, es gibt noch ein paar sehr holländische Erkenntnisse zu verbloggen) und komme direkt zum Hauptteil: das Review.

Special Guest aka Support-Act aka Vorgruppe war wieder Blackbriar. Diesmal war der Bassist mit dabei. Lag es daran, dass ich die Musik diesmal noch besser fand als in Weert? Und was ist das geeignete Wort für Zoras Gesang? „Enchanting“ würde der Engländer wohl sagen. Bezaubernd. Verzaubernd. Ich wähne mich schon auf dem Weg zum Fan. Auch schön zu sehen, wie zahlreich die Blackbriar-Fans wieder am Start waren. Nur die Sache mit der „Dutch Clubtour“ hat Blackbriar nicht so verinnerlicht, mir war es recht: Sprache der Wahl zwischen den Songs war Englisch.

Der Anfang von Blackbriar war für mich 20s „Gehirn-Stürm“, um auch mal die Ärzte zu zitieren. „Wow, die Bühne sieht viel kleiner aus als im De Bosuil. Oh, warum ist die Abmischung so schlecht? Man hört Zoras wundervolle Stimme kaum. Moment, warum stehen da drei Jungs mit Gitarren, das waren doch nur zwei in Weert? Stimmt, da hat fürs klassische Lineup 2x Gitarre 1x Bass ja einer gefehlt, warum fällt mir das jetzt erst auf? Kein Wunder, einer mehr, der sich auch noch unglaublich viel bewegt, klar sieht die Bühne dann kleiner aus!“ Dann hat der Mensch am Mischpult die Regler geregelt, Zoras Stimme angemessen im Mix platziert, und ich habe mich den Rest der Performance darauf beschränkt, einfach nur zu genießen ohne weiter über unwichtige und ablenkende Details nachzudenken.

Amüsanter Vorfall zwischendurch bei einer von Zoras Ansagen: „The next song is…I don’t know (geht breit lächelnd kurz nach hinten, um auf die Setlist zu schauen)“. Ich erspare mir und den geneigten Lesern (spürt Ihr den Optimismus? Plural! „Den Lesern“!) hier das naheliegende Wortspiel mit „Blackout“. Ooops, doch nicht. Jedenfalls kam es mir fast so vor, dass dieses Nicht-Ereignis ein wenig den Ton für den ganzen Abend setzte: entspannte Wohlfühl-Atmosphäre, wie man es sich zum Tour-Abschluss wünscht. Nicht so zu verstehen, dass es an Spannung und Drive gemangelt hätte, ganz im Gegenteil – aber es war so eine Unverkrampftheit, so ein Verzicht auf den allerletzten Perfektionismus, ein guter „Flow“. Bonuspunkte für Zora für das Weglassen der seltsamen geweihartigen Kopfbedeckung, die mich in Weert irgendwie…irritiert hat.

Trotz der qualitativ hochwertigen Vorgruppe – man kommt ja irgendwie doch für den Haupt-Act. Kurz nach 21.30h war es dann soweit: Charlotte und Band betraten die Bühne. Zuvor gab es eine Animation auf dem großen Schirm aka „das große runde Ding in der Mitte“ der Charlotte-Figur aus dem Superhuman-Video, die langsam größer wurde und so ein Näherkommen des Ereignisses symbolisierte. Es sind halt die liebevollen Details, die den geneigten Zuschauer faszinieren, und wenn ich mich recht erinnere, war es auch neu gegenüber dem Weert-Konzert. Also nicht nur liebevolle Details, sondern auch liebevolle Detailoptimierung während die Tour läuft.

Wie immer vorab mal die Setlist zur Orientierung (nach meiner Erinnerung…Fehler und Unvollständigkeiten nicht ausgeschlossen):

  • Ouverture (mit Claire)
  • Human To Ruin
  • Superhuman
  • Afkicken
  • The Phantom Touch
  • Venus Rising
  • Source Of The Flame
  • Cry Little Sister
  • Good Dog
  • Toxic (harsh vocals von George)
  • Mary On A Cross (Ghost-Cover, Duett mit Zora Cock von Blackbriar, und Eli am Cello)
  • I Forget (mit Eli am Cello)
  • Victor (mit Eli am Cello, und mit Claire)
  • A Million Lives
  • FSU (2020)
  • Combustion
  • The Final Roadtrip (mit Eli am Cello)
  • Soft Revolution

Zugaben:

  • Against All Odds
  • All You Are

Outro:

  • Utopia

Der Kenner entdeckt kleine Abweichungen zur Weert-Setlist. The Phantom Touch ist nach vorne gerutscht, und das Duett mit Aafke Romeijn („Alles wat ik wil“) wurde wie angekündigt ersetzt durch das Duett mit Zora („Mary On A Cross“, eine Coverversion des Ghost-Originals – Studio oder live). Damit bleibt nun für Aafke nach meiner Meinung nur noch der ehrenwerte dritte Platz in der ewigen Live-Duett-mit-Charlotte-Rangliste, denn Charlotte mit Zora…das ist schon ganz großes Kino. Und noch eine kleine Anmerkung: es herrschte hier für diesen einen Song ein Musikerinnenübergewicht auf der Bühne. Sophia, Eli, Zora und Charlotte stellten auf 4:3. Ich bin mir sicher, das war ein wichtiger Punkt in der Wessels-Bucket-List.

Aber beginnen wir am Anfang. Geschäftssprache war wieder holländisch, wie es sich für eine „Dutch Clubtour“ gehört. Charlotte empfahl charmant den nicht im Holländischen Bewanderten die Verpflichtung eines persönlichen Dolmetschers aus dem Publikum, was in meinem Umfeld nicht zu durchschlagendem Erfolg führte (aber dankenswerter Weise konnten hinterher im Discord wichtige Details geklärt werden – danke an alle Beteiligten!). „Claire“, für die Uneingeweihten, ist Charlottes Klarinette. An der Musikhochschule hat sie das Spielen der Klarinette perfektioniert und hat schon scherzhaft bemerkt, dass das für eine Sängerin ein eher ungünstiges Instrument ist. Aber sie baut wann immer es geht die gute Claire in Performances ein. „Eli“ hingegen ist eine echte Person, Elianne Anemaat, die mit ihrem Cello einigen der Songs den ganz besonderen Zauber verleiht. Auch dem Duett.

Das neu gebildete Song-Duo „Afkicken“ mit „The Phantom Touch“ brachte nach „Superhuman“ Tempo und etwas Härte in die Geschichte – meines Erachtens eine gute Umstellung in der Setlist. Überhaupt „Afkicken“ – neben mir sagte jemand „That’s the Dutch song“ – der wächst mir auch dank des Tänzerinneneinsatzes immer mehr ans Herz in der Live-Version. Und ich hatte das Gefühl, dass Charlotte spätestens ab hier im „FSU-Modus“ war und noch mehr Power in die Songs legte als gewohnt. „Venus Rising“ hat mir auch wieder sehr gut gefallen. Die Ansage zu „Good Dog“ schien für den holländischsprachigen Teil des Publikums sehr erheiternd, wenn ich es richtig verstanden habe kam auch die neue Patron-Tradition des „Meows“ zur Sprache. Und bei „Toxic“ dann der großartige Einsatz von George für die harsh vocals. Nebst Tanzeinlage. Dann „Mary On A Cross“ mit Zora im Duett – oben schon angesprochen, aber eine Wiederholung wert. Die beiden Stimmen harmonieren so phantastisch, das Song-Arrangement passt so perfekt – man (also ich!) ist vergeblich auf der Suche nach weiteren Adjektiven, die der Schönheit der Sache gerecht werden.

Wenn dann Otto schon vor den Zugaben den Kittel auszieht und im roten Shirt weiterrockt, weiß man, dass es langsam ernst wird und aber gleichzeitig leider auch schon dem Ende eines wundervollen Abends zugeht.

„FSU“ war wieder ein echtes Highlight. Charlotte war absolut im „wir reißen jetzt die Hütte ab“-Modus und legte eine Performance hin…wow. Auch wenn – Kritik auf sehr hohem Niveau, aber da kommt der Bruddler wieder in mir durch – vielleicht an der einen oder anderen Stelle hier die Power auf Kosten der letzten gesanglichen Präzision geht.

Von „Combustion“ habe ich im Delain-Kontext nie Notiz genommen. Aber was Timo und Joey da zusammen mit Otto abreißen ist schon allererste Güte. Und nur ein kurzer Zwischenstopp zum Auftakt zum Finale namens „The Final Roadtrip“, der in der Live-Version angenehm rockig rüberkommt.

Den Abschluss vor der Zugabe bildet – kann man nach fünf Konzerten schon „traditionell“ sagen? – „Soft Revolution“. Diesen Song habe ich schon ausgiebig gelobt und ich halte ihn für ein Meisterwerk. Aber die Live-Performance ist etwas sehr besonderes: zum Ende gibt es die dreistimmige Charlotte über die Loopstation, und dann spielt Timo allein mit der Gitarre weiter – einer der zahlreichen Gänsehautmomente. Und danach dann „Against All Odds“ in der Akustik-Trio-Formation, das ruhige Stück vor dem Finale mit „All You Are“ mit einem weiteren Versuch, der Publikumsmeute Gesang zu entlocken. Es würde mich wirklich interessieren, wie sich das auf der Bühne anhört…von meiner Position aus klang es – wie soll ich es optimistisch formulieren – nicht so besonders überzeugend.

Und dann war es auch schon wieder vorbei. Zwei Stunden Musik und Show können verdammt schnell rum sein, so wie es bei allen grandiosen Dingen eben ist. Die Zeit verfliegt. Und man wünscht sich eine professionelle Videoaufzeichnung, um den Moment immer wieder erleben zu können. So bleibt es leider bei den bekannten Unzulänglichkeiten des eigenen Erinnerungsvermögens. Möge dieses Review dabei helfen, die Erinnerungen wachzuhalten.

Charlottes Konzertendeansprache war sehr emotional, so ein letztes Konzert einer Tour ist eben etwas besonderes. Jetzt geht es wieder ins Studio, neues Album steht an, und ich bin schon gespannt wann ich das genießen darf. Und ich bin sicher, alle bei diesem Konzert Anwesenden werden auch die dann hoffentlich folgende Tour wieder besuchen, wenn es sich irgendwie einrichten lässt. Charlotte hat schon mehrfach anklingen lassen, dass sie nun ein „klassisches“ Album machen will, eine lange Writing Session mit Song-Flow aus einem Guss. Ich bin ja klassischer Album-Höhrer und Traditionalist, aber ich konnte bei den Tales From Six Feet Under-Alben da keine Mängel feststellen im Song-To-Song-Flow, das hat alles super zusammen gepasst nach meinem Gefühl. Interessant wird sein, inwiefern bestehende Songs Of The Month in überarbeiteter Form dann auf dem neuen Album erscheinen. Was könnte man bei „Chasing Sunsets“ oder „The Butterfly Effect“ oder „Vigor & Valor“ oder „Fool’s Parade“ noch verbessern? Keine Ahnung, für mich klingen die schon perfekt. Deshalb ist es ja so spannend. Wobei natürlich „Instrumente von echten Musikern einspielen statt Cubase-Instrumentenplugins verwenden“ Verbesserungspotenzial verspricht.

Auch diesmal gab es die nachkonzertlichen Ohrwürmer, die mir Charlotte eingepflanzt hat – „Victor“ und „A Million Lives“. Vor mich hingesummt auf dem ganzen Weg zum Hotel. Warum sind das eigentlich immer andere Songs? Weil die Liste der potenziellen Ohrwürmer eben sehr viele Einträge hat. Das ist für mich auch Teil der Charlotte-Magie.

Harter Themenwechsel. Rückfahrt war super. Sonnig, trocken, 6h15 (mit Pausen). Ich betrachte die Autobahn als rehabilitiert. Zumindest am Sonntag. Der Haken: 5h30 reine Fahrzeit ist zu lang für die „Charlotte Wessels Songs of the Month“-Playlist – selbst wenn man „Chasing Sunsets“ noch ein paar mal wiederholen lässt. 2h39min ist derzeit die Playlist lang mit allen 38 Songs of the Month. Rund 3h fehlen also noch, macht also satte 45 klassische 4min-Songs. Way to go, Charlotte! Alternativ wäre natürlich ein Konzert in der Nähe eine im wahrsten Sinne des Wortes naheliegende Lösung für dieses Dilemma. Andere mögliche Lösungswege wie epische Progrock-Songlängen…ich will niemand auf schlechte Ideen bringen.

Daheim angekommen, aus dem Auto ausgestiegen, und zwei völlig andere Songs waren in meinem Kopf: „Wees Liever Boos“ (einer der „Lost Songs Of The Month“ der wohl nie live gespielt werden wird – wann hätte der besser gepasst als bei der „Dutch“ Clubtour?) und das schon erwähnte „Chasing Sunsets“, der neueste Song Of The Month. Wenn letzterer nicht auf dem nächsten Album ist und prominent auf der Setlist der nächsten Tour auftaucht, falle ich vom Glauben ab.

Bleibt die Frage: wer ist eigentlich dieser George? Schien bekannt zu sein, nur mir natürlich wieder nicht. Ein bisserl recherchiert, Charlottes Nach-Konzert-Instagram-Post intelligent interpretiert, 3 und 7 zusammengezählt…ich tippe mit 98,3%iger Sicherheit auf George Oosthoek, (unter anderem) einer der Sänger bei MaYan (nur echt in der niederländischen Wikipedia). Ich versuche weiter, Experte für niederländische Musikberühmtheiten zu werden, auch wenn ich für das laufende Jahrzehnt da wenig Hoffnung sehe.

Aktualisiert 2023-06-01 – etwas mehr Text, bessere Formulierungen

Manche Dinge dauern etwas länger. Meine Ausrede ist, dass ich ja kaum ein Konzert besuchen kann, wenn ich noch nicht mal die Band kenne. Und leider tue ich das – wie hier beschrieben – erst seit vergleichsweise kurzer Zeit. Kann man nicht ändern – dann halt mein erstes Delain-Konzert erst in der post-Charlotte-Ära. Ort der Handlung: Das Wizemann in Stuttgart, genauer der „Club“. Nahezu ausverkauft würde ich sagen, also mindestens 500 Fans bei eher sparsamer Belüftung. Eben „Club“.

Anreise per Auto in der Stau- und Baustellenhauptstadt Stuttgart erfordert akribische Planung, und so hat das leidlich funktioniert. Das Parkhaus fürs Wizemann-Areal ist etwas abenteuerlich – die Zufahrt, die gleichzeitig Ausfahrt ist, ist breitentechnisch grob einspurig und sehr kurvig, da wäre Gegenverkehr sehr unangenehm, wenn auch im Setting eines solchen Veranstaltungsortes eher unwahrscheinlich – und zudem innen dubios aufgeteilt mit jeder Menge reservierter Parkplätze für „alles-außer-Wizemann-Besucher“. Ein überwindbares Hindernis und nicht mehr als Randnotiz. Und wenn man es nach Konzertende langsam angehen lässt – beispielsweise indem man noch mit freundlichen Fans quatscht – ist das alles entspannt.

Zum Event selbst. Vorgruppe war Xandria. Symphonic Metal aus Bielefeld mit einer langen und wechselhaften Geschichte, die populärste Episode war vermutlich mit Sängerin Dianne van Giersbergen (und „hatte eine niederländische Sängerin“ ist nicht die einzige Parallele der Bandgeschichte zu Delain). Von Xandria kannte ich vorher keinen einzigen Song. Hinterher auch nicht, und vermutlich wird sich das auch so schnell nicht ändern. Es war nicht schlecht oder so, sondern im Gegenteil durchaus nett anzuhören. Aber eben auch schnell wieder vergessen. Da mein einziger Wunsch bezüglich Vorgruppen ist, mich nicht zu nerven, war ich also recht zufrieden mit dem „Support Act“. Der Rest des Publikums hatte wohl eher einen Bezug zu Xandria und schien zufrieden bis begeistert. Schön!

Dann also Delain. Meine Eintrittskarte, recht früh erworben, kündete noch von der „The Masters of Destiny Tour“, bezugnehmend auf das Album „Apocalypse & Chill“ (genau einmal live performed im Februar 2020, dann kam Corona und dann auch noch der Band-Split) mit dem großartigen aber leider bei diesem Konzert nicht performten Song „Masters of Destiny“. Dann erschien (Release Mitte Februar 2023) aber das neue Album „Dark Waters“, und so wurde daraus die „Dark Waters Tour“.

Die Setlist:

  • The Cold
  • Suckerpunch
  • Burning Bridges
  • Invidia
  • The Quest and the Curse
  • April Rain
  • Underland
  • The Hurricane
  • Beneath (mit Paolo Ribaldini)
  • Queen of Shadow (mit Paolo Ribaldini)
  • Your Body Is a Battleground (mit Paolo Ribaldini)
  • The Gathering (mit Paolo Ribaldini)
  • Don’t Let Go
  • Moth to a Flame
  • Not Enough

Zugaben:

  • Mother Machine
  • Sing To Me (mit Paolo Ribaldini)
  • We Are The Others

Wie man sieht eine bunte Mischung von allen Alben vom Debütalbum bis zum neuesten Release. Logischerweise mit einem Überhang des aktuellen Albums, ein bisserl Album-Promotion ist bei einer Tour ja unvermeidlich.

Wie jede Setlist dieser Welt ist auch diese kritikwürdig – hier ist meine (Achtung – Geschmacksache!): „The Cold“ ist einer der schwächsten Songs auf dem neuen Album, warum ausgerechnet der als Intro taugen soll – keine Ahnung. Entsprechend verhalten reagierte nach meiner Beobachtung das Publikum. Und ob man nun unbedingt „Your Body Is a Battleground“ braucht, ist fast schon keine Geschmackssache mehr. Der Song ist nicht mal in meiner Delain-Top-50.

Aber dieser Tiefpunkt der Setlist ist gleichzeitig der Anknüpfungspunkt für einen der gewichtigsten Gründe, warum ich dieses Konzert unterm Strich für irgendwas zwischen ziemlich gut und sensationell halte. Denn der Song wird im Duett mit Paolo Ribaldini performt, was der Qualität sehr zuträglich ist – wie überhaupt die Duette von Diana und Paolo live sehr gut rüberkommen. Die beiden Stimmen harmonieren ganz wundervoll. Zwei meiner Delain-Favoriten, „The Gathering“ und „Sing To Me“, waren wirklich in dieser Kombination eine absolut großartige Sache. Und „The Gathering“ ist ja ursprünglich ein Duett mit Marko Hietala, und diesem Highlight gerecht zu werden – Respekt. Wie ich anderen Setlisten zu dieser Tour entnehme, wurde bei den Zugaben manchmal „Control The Storm“ gespielt – da bevorzuge ich „Sing To Me“ auf jeden Fall. Glück gehabt.

Ich könnte natürlich eine Menge Lieder aufzählen, die ich gerne zum und beim ersten Mal live gehört hätte. „Tell me, Mechanist“. „Are You Done With Me“. „Get The Devil Out Of Me“. Das schon genannte „Masters Of Destiny“. „We Had Everything“. Aber insgesamt muss man sagen: das hat schon so gepasst. Gute Songauswahl. Sehr überraschend fand ich „Invidia“ in der Setlist. Warum war ich eigentlich überrascht? Ein großartiger Song.

Hervorheben will ich auch die gute Soundqualität (im hinteren Bereich von Konzerthallen oft nicht so prickelnd) und das großartige Publikum, das sichtlich Spaß hatte und enthusiastisch bei der Sache war.

Kommt am Ende jetzt der unvermeidliche Sängerinnenvergleich? Da winde ich mich jetzt mal elegant raus und sage, dass ich (leider!) nie live zugegen war, als Charlotte einen Delain-Song live performt hat und mir deshalb logischerweise gar kein Vergleich möglich ist. Was ich aber mit Sicherheit sagen kann: Diana ist genau wie Charlotte eine großartige Sängerin. Und sie singt sowohl alte als auch neue Delain-Songs absolut überzeugend. Und ich kann ehrlich gesagt nicht nachvollziehen, warum einige Fans der Meinung sind, die Stimmen würden sich übermäßig ähneln – ich finde das ganz und gar nicht.

Jedenfalls kann ich für mich festhalten, dass Delain in der Neubesetzung unbedingt einen Konzertbesuch wert sind. Ich freue mich schon auf das nächste. Delain lebt.

Man verzeihe mir den schlechten Wortwitz im Titel. Und den Abküfi – es geht um „Tales From 6 Feet Under – Live In Concert“ im Rahmen der „Dutch Clubtour“ von Charlotte Wessels, genauer um das Premierenkonzert im De Bosuil in Weert. Wobei: Premiere war ja im Oktober in Utrecht, aber da war die Idee der „Clubtour“ noch gar nicht offiziell geboren – das Utrecht-Konzert wurde quasi retrospektiv der Tour noch zugeordnet, davon kündet jedenfalls das (wunderschöne) Tour-T-Shirt.

Nun also Weert, verkehrsgünstig gelegen nahe Mönchengladbach – d.h. also verkehrsgünstig aus deutscher und vielleicht noch belgischer und luxemburgischer Sicht, Niederländer außerhalb von Limburg mögen da eine gegenteilige Ansicht vertreten. „De Bosuil“ ist der Club, auch genannt das „Paradiso von Limburg“ – dazu muss man wissen, dass das Paradiso in Amsterdam als quasi der heilige Ort der Club-Konzert-Szene in den Niederlanden gilt. Zumindest habe ich das so verstanden, ich will hier nicht den Experten für niederländische Clubkultur mimen, nichts könnte ferner der Realität sein.

Mein Online-Übersetzungstool erzählt mir, dass „De Bosuil“ übersetzt „Der Waldkauz“ bedeutet – ein genauso spannender wie nutzloser Fakt, und es scheint fast so, als wolle ich das Intro dieses Blog-Posts künstlich in die Länge ziehen, um irgendwie Spannung aufzubauen. Nichts könnte mir ferner liegen. Zur Sache also.

Wobei, eine Kleinigkeit noch vorab: der Name „Dutch Clubtour“ hat sich insofern als (für mich) überraschend zutreffend erwiesen, als dass Charlotte den Abend mit überwiegend holländischen Ansagen bestritten hat. Ich höre die Sprache gerne, aber Charlotte hat da ein Tempo drauf, wann immer man ein „klingt so ähnlich wie im Deutschen“-Wort erhascht hat und einen Sinnzusammenhang versucht herzustellen, ist sie schon zwei Sätze weiter. Und so habe ich beispielsweise die Erläuterungen zum Einsatz des Loopers nur partiell verstanden, als aufmerksamer Teilnehmer der Patreon-Hangouts weiß man aber natürlich trotzdem Bescheid.

Jetzt aber wirklich endlich zum Konzert. Wobei, vor dem Konzert ist immer der Besuch beim Merchandise-Stand angesagt. Charlotte bemüht sich ja immer, auch in der Design-Sparte zu glänzen. Das Club-Tour-T-Shirt ist auch wirklich eine absolute Schönheit geworden, auch wenn ich die von mir vorgeschlagene Fußnote bezüglich der monochromen Rückseite vermisst habe – kleiner Scherz am Rande für Discord-Insider. Lobenswert im „Cards Only“-Paradies Niederlande: Barzahlung war möglich. Auch eine großartige Idee: die Setlist zum Konzert gab es als Stück Holz mit eben jener Setlist eingraviert – mit Datum und Ort! – nebst Autogramm von Charlotte. Angesichts der Unmengen an Zeugs, die bei mir in der Gegend rumstehen, habe ich schweren Herzens von einem Kauf abgesehen, aber es sah schon sehr schmuck aus.

Kommen wir zum Support-Act bzw. „Special Guest“, wie es heutzutage heißt. Wobei, es gab da noch vor dem Auftritt von Blackbriar einen klitzekleinen Fauxpas mit der Vor-Konzert-Playlist – es ist einfach nicht statthaft, das wunderbare „Running Up That Hill“ von Kate Bush so rüde zu unterbrechen. Bemühungen um einen pünktlichen Konzertanfang hin oder her.

Jetzt aber wirklich und endgültig zur Sache. Blackbriar hat fast eine Stunde gespielt, wie sich herausstellte hatte die Sängerin Zora auch noch Geburtstag, was die recht zahlreich anwesenden Blackbriar-Fans als Anlass für das klassische Geburtstagsständchen genommen haben. Erwähnenswert auch, dass Blackbriar unter den Vorgruppen in meiner Kategorie „von denen kenne ich kein einziges Lied“ ganz weit vorne war (was gleichzeitig heißt, dass mein wie immer ambitioniertes Ziel „von denen höre ich mir vor dem Konzert mal ein paar Sachen an“ auch diesmal kläglich gescheitert ist). Sehr interessanter, gut anzuhörender melodischer Goth-Metal-Rock. Und Zora hat eine sehr schöne und auch besondere Stimme. Besonders zauberhaft, dass mit „Mortal Remains“ Charlottes Blackbriar-Lieblingssong in die Setlist aufgenommen wurde. Randnotiz: die beiden Gitarristen konnten sich haar- und bart-technisch nicht auf einen gemeinsamen Nenner einigen, spielten aber zum Ausgleich identisch aussehende Gitarren – nach dem, was ich über die persönlichen Vorlieben dieses besonderen bis eigenwilligen Menschenschlags bisher gelesen und gehört habe, fand ich das ungewöhnlich.

Dann endlich: Charlotte mit dem bereits aus Utrecht bekannten Band-Lineup. Logischerweise ging es auf der kleinen Bühne eines Clubs etwas enger zu als im großen Ronda-Saal im TivoliVredenburg, aber die Adaption an diese etwas intimeren Verhältnisse ist wirklich sehr gut gelungen, mein Kompliment. Der Screen, Claire, Eli am Cello, und sogar die beiden Tänzerinnen konnten sich noch unfallfrei bewegen. Clevererweise hat Charlotte diesmal auf den Kleiderwechsel mitten in der Show verzichtet, das hätte ganz sicher zu Chaos geführt.

Die Setlist:

  • Ouverture
  • Human To Ruin
  • Superhuman
  • Afkicken
  • Venus Rising
  • Source Of The Flame
  • Cry Little Sister
  • Good Dog
  • Toxic
  • Alles Wat Ik Wil (Duett mit Aafke Romeijn)
  • I Forget (mit Eli am Cello)
  • Victor (mit Eli am Cello)
  • A Million Lives
  • FSU (2020)
  • Combustion
  • The Phantom Touch
  • Soft Revolution

Zugaben:

  • The Final Roadtrip (mit Eli am Cello)
  • Against All Odds
  • All You Are

Outro:

  • Utopia

Für die Uneingeweihten: hinter „Eli“ verbirgt sich Elianne Anemaat, die schon zu Delain-Live-Zeiten die Streichersektion personifizierte und auch bei den Patreon-Hangouts ab und an für Kurzweil sorgt. Kompliment auch an Otto – seines Zeichens Bassist der Band – für die „harsh vocals“ bei Toxic. Sauber hingekriegt. Und so langsam werde ich auch warm mit „Good Dog“ und „FSU“, die ich lange in die Sektion „schwächere Songs“ einsortiert hatte. Charlotte war gesanglich in Hochform und hat auch die höchsten Töne makellos getroffen. Und wie immer der perfekte Mix aus Power und Gefühl. So muss Konzert.

Für mich überraschend: auf dem Weg vom Club zum Hotel – ein etwa 30minütiger Fußmarsch durchs nächtliche Weert, dessen Nachtleben am späten Samstagabend/frühen Sonntagmorgen ich nicht gerade als „überbordend“ bezeichnen würde (soll heißen: außer mir war keine Menschenseele unterwegs) – waren zwei Songs präsent in meinem Kopf, die ich vermutlich nicht in der Charlotte-Top-20 einsortiert hätte: „Venus Rising“ und „Alles Wat Ik Wil“. Das eigene Hirn. Da steckste nich drin.

So weit, so großartig und erfreulich. Als geborener Schwabe gibt es aber diesen inneren nicht unterdrückbaren Drang, auch im Falle einer rundherum gelungenen Veranstaltung ein paar „Bruddler-Punkte“ zu benennen. Dr Schwob bruddeld hald gern. Der Engländer würde es wohl als „nitpicking“ bezeichnen. Als Vergleichsmaßstab dient hier – unfairerweise – das Konzert in Utrecht im TivoliVredenburg im Oktober vergangenen Jahres  – das ist zugegebenermaßen eine Latte, die höher nicht liegen könnte.

Also, los geht es mit meinen Mini-Kritikpunkten. Die Setlist fand natürlich nicht meine volle Zustimmung. Keine Überraschung, weil noch keine Setlist in 35 Jahren Konzertbesuche das jemals getan hat. „Masterpiece“, der Feel-Good-Patreon-Song, wurde leider nur vom Band nach dem Konzert partiell gespielt. „Fool’s Parade“, einer meiner Lieblingssongs, hat es – möglicherweise in Ermangelung von Alissa White-Gluz – ebenfalls nicht auf die Setlist geschafft, obwohl ich sicher bin, dass das nicht zwingend eine Duett-Nummer sein muss. Aafke Romeijn wird es mir hoffentlich verzeihen, aber das ziemlich gute „Alles Wat Ik Wil“-Duett kann natürlich „Fool’s Parade“ und „Lizzie“ mit Alissa nicht adäquat ersetzen. Die „All You Are“-Zugabe war publikumsgesangstechnisch naturgemäß deutlich sparsamer ausgestattet als in Utrecht. Der Sound generell hat auch nicht meine ungeteilte Zustimmung gefunden, im Einzelfall nach meinem Geschmack etwas zu übersteuert, und in der Abmischung verbesserungswürdig – als Fan von Charlottes Gesang bevorzuge ich da eine etwas präsentere Abmischung, aber den Kritikpunkt äußere ich auch in schöner Regelmäßigkeit bei den SotM-Abmischungen, es könnte also auch einfach eine persönliche Macke sein.

Und zuletzt muss ich zugeben, dass Charlotte über all die Zeit, in der ich nun ihr rühriges Tun bewundere, bisher immer irgendeine Überraschung aus dem Ärmel gezaubert hat – das hat diesmal gefehlt, die Show war letztlich der auf die kleiner-Club-Bedürfnisse zusammengeschrumpelte kleine Bruder der Utrecht-Show. Dabei hätte ich eine längere Wunschliste gehabt – ich hätte gerne „Bühnenshow“ gegen „ein paar Lieder mehr“ getauscht, gerade die neuen Songs of the Month wie „Sweep Your Ashes“ oder „Butterfly Effect“ wären es wert, live gespielt und gehört zu werden. Oder „Vigor & Valor“, einer meiner Favoriten. Und ich plädiere für eine „Lost Songs Of The Month“-Tour mit allen Songs, die noch nie live gespielt wurden. Und außerdem eine Neuaufnahme aller Songs mit echten Musikern im Live-Arrangement. Und überhaupt (mit-dem-Fuß-auf-den-Boden-stampf)!

Nach diesem Gebruddel will ich aber einordnenderweise nochmal betonen, dass ich hier unterm Strich wirklich über unbedeutende Randdetails referiere. Das Gesamterlebnis „Tales From 6 Feet Under – Live In Concert“ ist einfach nur in der Kategorie „großartig und unvergesslich“ einzustufen. Ich will es mal so ausdrücken: wenn mich einer fragt, ob ich morgen nochmal 1000km per KfZ zurücklegen will, um erneut dabei zu sein: ja, klar, auf jeden Fall. Und jederzeit wieder. Und dann nochmal.

Ich schließe mit dem ebenso traditionellen wie verdienten „Very well done, Charlotte Wessels“. Für alle, die Weert verpasst haben: es gibt noch drei weitere Chancen. Obligatorischer Hinweis: Unterstützung über Patreon ist auch eine valide Option. Und alle Fans eint die Hoffnung, dass es mit dem kommenden Album auch wieder eine Tour geben wird – Daumen drücken! Do The Thing, Charlotte!

Nur Optimisten hatten das schon 2023 für möglich gehalten. Ich gehörte nicht dazu.

Es gibt nun tatsächlich nicht weniger als vier Möglichkeiten im Rahmen ihrer „Dutch Clubtour“, im April und Mai die wunderbare Charlotte Wessels live in concert zu genießen. Mit Blackbriar als Support Act. Und der hierzulande weitestgehend unbekannten Aafke Romeijn als Duettpartnerin bei Alles Wat Ik Wil bei den ersten beiden Konzerten.

Also zum Vormerken (direkte Kartenkauflinks über Charlottes Homepage):

Jeder sollte mindestens einmal im Leben Soft Revolution live gesehen haben. Obligatorischer Hinweis: Unterstützung über Patreon ist auch eine valide Option.

Randnotiz: Schön zu sehen, dass die Niederländer unseren Karfreitagsveranstaltungsverbotsquatsch nicht mitmachen.