Der Oktober letzten Jahres war ein echter Konzert-Marathon für mich. Während ich das erste sehr zeitnah und das zweite mit nur wenigen Monaten Verspätung verbloggt hatte, hat es nun ein paar Monate länger gedauert. Und danach kamen ja nochmal zwei – ich bin in echtem Konzert-Blog-Rückstand.

Diesmal geht es um einen besonderen Künstler und ein besonderes Konzert: mein voraussichtlich letztes Fish-Konzert – ever. Der Meister setzt sich zur Ruhe auf irgendeiner einsamen schottischen Insel, und befand sich auf Abschluss- und Abschiedstour. Mein erstes Fish-Konzert war im Dezember 1991 in Ludwigsburg im Rahmen der „Internal Exile“-Tour, und es war sowas wie der Start regelmäßiger Besuche von Rockkonzerten. Nicht mein allererstes Konzert, aber nah dran. Die Eintrittskarte wusste noch nichts vom Namen des zweiten Soloalbums, und verkündete „Aktuelles Album erscheint in Kürze“. Es war die Zeit, als Konzertkarten im Vorverkauf noch unter 30 DM kosteten. Damals…ich erinnere mich noch lebhaft an „Vigil“ als Opener, bin aber nicht mehr sicher ob es das Konzert war mit der eher schlechten Vorgruppe namens „Rubikon“, deren Namen sich aus unerfindlichen Gründen bei mir ins Gedächtnis eingebrannt hat. Schade, dass ich damals noch nicht gebloggt habe, ich hätte gerne herausgefunden, ob es nur Vergangenheitsverklärung ist oder ich das Konzert wirklich damals auch schon als sehr gut empfunden hatte. Und ich könnte jetzt einfach nachzählen, wieviele Fish-Konzerte ich in den 34 Jahren insgesamt besucht habe – ich schätze mindestens 40, mit den insgesamt 5 Fanclub-Konzerten als absolute Höhepunkte.

Ursprünglich war die Abschiedstour und das Konzert in Stuttgart 2020/2021 geplant, aber das ist dem Virus zum Opfer gefallen. Da Fish nun ja auch schon ein älteres Semester ist, hatte ich mich schon damit abgefunden, dass der Auftritt 2018 im Rahmen der Weltschmerz-Tour tatsächlich schon der letzte war. Aber Gott sei Dank war das ein Irrtum. Der alte Mann ging nochmal auf große Tour.

Fish war der erste Künstler aus dem Bereich Progressive Rock, dessen Musik ich intensiv hörte, zuerst noch als Marillion-Sänger, später dann solo. Und lange Zeit blieb er der einzige in diesem Genre. Warum? Keine Ahnung, Geschmack ist schwer erklärbar.

Zum Konzert. Es war glaube ich das teuerste bei dem ich je war – satte 65€, für Besucher von größeren Konzerten in den letzten 10 Jahren nix besonderes, für mich schon. Fast schon ein „Investment“. Ort der Handlung: die „Halle“ im Wizemann. Das Wizemann ist seit einiger Zeit in Baden-Württemberg meine Lieblings-Konzertlocation geworden, egal ob „Halle“ oder „Club“ – der Sound ist dort ausgezeichnet, das Parkhaus preiswert, das Personal auf Zack. Absolut empfehlenswert.

Ich habe über die Jahre die vielen Änderungen im Line-Up der Live-Band nicht mehr verinnerlicht, war aber hoch erfreut, als ich weitestgehend bekannte Gesichter auf der Bühne sehen konnte: Steve Vantsis am Bass, Mickey Simmonds an den Keyboards, Robin Boult an der Gitarre, und Liz Antwi als Background-Sängerin ist den Hardcore-Fish-Fans als Duett-Partnerin von „Incomplete“ vielleicht noch bekannt. Schlagzeuger? Musste ich gerade nachlesen, war wohl Gavin Griffiths, sagt mir irgendwie nix. Aber ich erinnere mich gerade an keinen einzigen Drummer bei Fish außer Dave „Squeaky“ Stewart. Egal. Jedenfalls stellte sich heraus, dass durch die Präsenz von Liz der gute alte Robin von seinen Backing-Vocals-Aufgaben entbunden war. Ich hatte das Gefühl, er verlebte einen recht entspannten Abend. Die Bühnenaufstellung war irgendwie spiegelverkehrt zu sonst, Keyboards ganz links und Bass links und Gitarre eher rechts. Es irritierte mich nur ganz kurz.

Beginn war pünktlich um 20.00h, keine Vorgruppe, kein Vorgeplänkel – gute Sache. Die Setlist gibt es hier zur Ansicht – sehr schön, dass sich quasi der Kreis zu meinem ersten Fish-Konzert schloss und „Vigil“ der Opener war. Ist ja auch irgendwie der natürliche Opener-Song – „Listen to me“ und so. Über Setlisten kann man generell viel schreiben und diskutieren, ich war weitgehend zufrieden. „Pipeline“ hätte ich nicht in meiner Top 50 gehabt, und mit „Big Wedge“ konnte ich noch nie so richtig viel anfangen, aber der Song gehört definitiv zu den meistgespielten Fish-Songs live. Der Rest vom Publikum schien zufrieden, und überhaupt war die Stimmung sehr gut. Sehr cool war natürlich Plague of Ghosts, in voller Länge (und direkt nach Slàinte Mhath, einem meiner Lieblingssongs aus der Marillion-Zeit). Auf anderen Konzerten der Tour wurde die nicht weniger epische „High Wood Suite“ gespielt, auch nicht schlecht.

Sehr amüsant, aber vermutlich nur für mich: die Ansage für „Shadowplay“. Ich glaube es war beim Fanclub-Konzert in Enschede, als die Fans abstimmen durften welcher Song auf jeden Fall gespielt wird, und es gewann Shadowplay. Damals hat sich Fish etwa 5 Minuten darüber beschwert, weil ja der Text so elendig lang und komplex sei und er ihn nochmal lernen musste und dass das live ein ganz schwieriger Song sei und er zelebrierte sogar das Aufstellen eines Notenständers mit zwei Blättern Papier mit dem Liedtext, für den Fall, dass das Auswendiglernen doch noch so gut geklappt hätte. Ich meine er machte auch noch eine Bemerkung dahingehend, dass es viel klüger gewesen wäre, sich bei der Komplexität der Lyrics eher bei den Beatles zu orientieren. Und diesmal? Sinngemäß meinte er schlicht: ja, schon lange nicht mehr gespielt, und es sei doch ein wunderschöner Song, und seine Frau (die den Merchstand betreute) hätte ihn sich gewünscht. Aha! Wenn natürlich die Dame des Hauses einen Wunsch äußert, kann man sich natürlich die Meckerei wie bei den Fans nicht leisten, is‘ klar 🙂

Ich war nicht besonders traurig, dass Songs der Alben „Feast of Consequences“ und „Weltschmerz“ sehr sparsam in der Setlist vertreten waren. M.E. ist das kein gutes Live-Material wenn man es z.B. mit den ersten beiden Alben vergleicht. Aber ich bin auch ein alter konservativer Sack. Insgesamt gab es dank „Vigil“, „Credo“, „Slàinte Mhath“, „Kayleigh“, „Lavender“, „Internal Exile“ und natürlich „A Gentleman’s Excuse Me“ eigentlich keinen Grund für große Mecker von der Retro-Fraktion. Am Ende waren es rund 135 Minuten feinste Musik. Klar, man hätte sich als dritte Zugabe noch „The Company“ gewünscht, und auf einigen Konzerten mit ähnlicher Setlist wurde das auch gespielt – nicht jedoch an diesem Abend. Schade, aber verkraftbar, denn in Summe war es ein wunderbares Konzert.

Und doch muss man eines konstatieren: Fish war stimmlich nicht mehr so richtig auf der Höhe. Über die Jahrzehnte war das ja oft „Gute Zeiten, schlechte Zeiten“, mit unterschiedlicher Tagesform. Diesmal schien er der doch recht langen und eng getakteten Tour Tribut zollen zu müssen. Es war außerordentlich hilfreich, hier Liz Antwi als Background-Sängerin mit auf der Bühne zu haben, denn die konnte diverse gesangliche Schwächeperioden von Fish durchaus ansprechend füllen und etwas in den Hintergrund schieben. Manche Songs wurden so beinahe zum Duett, was wiederum ein sehr schönes Erlebnis war.

Und wer bis zum Schluss durchgehalten hat, den belohne ich mit einem Link zu einem anderen Konzertbericht, der absolut lesenswert ist.

Bevor die Erinnerung endgültig verblasst, noch eine lose Sammlung von Notizen zu einem Konzertereignis im März 2024(!) im legendären Longhorn in Stuttgart-Wangen.

Der Titel sagt es ja schon – im Prinzip ist es musikphilosophisch mein zweiter Versuch, drei Metal-Bands während eines einzigen Konzertbesuchs zu genießen und teilweise sogar kennenzulernen. Diesmal am Start: Amaranthe und DragonForce als Double-Headliner-Acts und Infected Rain als Support Act. Im Gegensatz zum ersten Versuch hatte ich zuhause schon eine vollständige CD-Sammlung der Jungs von DragonForce (wie sich dann beim Konzert rausstellte: der Jungs und des Mädels von DragonForce), Tonträger von Amaranthe und Infected Rain hingegen hatte (und, ich nehme es vorweg: habe) ich nicht auf Lager.

Generell könnte man sagen, dass ich von Infected Rain vorher nie gehört hatte, Amaranthe hingegen wird von Fans diverser Bands aus dem Genre „Symphonic Metal“ und manchmal auch „Female-Fronted Metal“ hoch geschätzt und viel gelobt. DragonForce hingegen fand und finde ich absolut genial, ich wurde durch die – ebenso geniale wie aufschlussreiche – TV-Doku „Metal Evolution“ darauf aufmerksam und bin seither Fan. Das Gitarrenspiel der Herren Li und Totman ist sensationell, die Melodien kompatibel mit meinem Harmonieempfinden, die Double Base Drum ständiger Begleiter und die beiden bisherigen Sänger ebenfalls talentiert.

Es begann also mit Infected Rain, einer Band aus Moldawien. Rockt gut, muss man sagen. Die Sängerin war jedenfalls sofort im „wir-reißen-die-Hütte-ab“-Modus und bestach nicht nur durch Power-Gesang, sondern auch durch durchaus humorvolle Ansagen („We are a band from Moldavia. If you don’t know where Moldavia is – google it!“). Melodisch war es nicht immer mein Fall, aber keineswegs nervig oder so. Das Publikum war durchweg angetan nach meiner Beobachtung, aber nicht enthusiastisch oder frenetisch mitsingend. Ich stand eher weiter hinten und konnte so die Dame am Mischpult beobachten – neben der Sängerin vermutlich eine der wenigen in der Halle, die absolut textsicher war und sehr enthusiastisch bei der Sache war. Ich hatte keinen Einblick in die vorderen Zuschauerreihen, aber ich würde für die hinteren zwei Drittel der Halle sagen, dass besagte Dame am Mischpult der größte Fan der Band war – aber auch soundtechnisch einen sehr guten Job machte, es klang bis in den hinteren Bereich gut bis sehr gut. Jedenfalls erfüllte der Support Act seine Aufgabe, und die Stimmung in der Halle war ausgezeichnet.

Kommen wir zu DragonForce. Zwei überdimensionale Spielautomaten auf der Bühne (R-Type und Dragon’s Lair habe ich dekomäßig im Kopf, allerdings war auf den eingebauten Displays allerhand Gaming-Mischmasch zu sehen, von Rygar über Street Fighter 2 bis Out Run, wenn ich mich recht erinnere), die, wie sich rausstellte, auch „begehbar“ waren. Wenn die Gitarrenfraktion da oben drauf steht und abrockt, hatte man unweigerlich Bilder von abstürzenden Gitarristen vor dem geistigen Auge. Wozu es Gott sei Dank nicht kam. Generell ist DragonForce ja sehr Gaming-orientiert, egal ob sie Lieder bereitstellen für Guitar Hero oder ob sie auf ihren Gitarren Klänge erzeugen, die Chiptunes nicht unähnlich sind. Oder eines ihrer neueren Lieder performen, „The Power of the Triforce“, im Prinzip eine Hommage an den Nintendo-Gaming-Klassiker „The Legend of Zelda“. Aber der Kernpunkt ist eben, dass DragonForce in meinen Ohren ganz wunderbare Musik macht. Power-Metal, aber mit einer – Metal-Fans verzeihen mir die Ausdrucksweise – pop-rock-inspirierten harmonischen Melodieführung und sauberem Gesang. Untermalt von einem absolut treibenden Double-Base-Drum-Rhythmus, wo man unweigerlich dem Schlagzeuger am Ende des Konzerts ob seiner zur Schau gestellten Ausdauer gratulieren möchte. Gesanglich fand ich die Darbietung erstklassig, und generell sorgt die Energie der Band, verbunden mit dem hymnentauglichen Songmaterial, für ein erstklassiges Konzerterlebnis. Dabei habe ich beim Konzert zum ersten Mal festgestellt, dass der typische DragonForce-Sound sehr wenig Tiefbass enthält. Zuerst dachte ich, der Klang in der Halle sei falsch abgemischt, weil der Kontrast zu Infected Rain augen- oder besser ohrenfällig war. Aber schon kurze Zeit später merkte ich, dass das gewollt und gewünscht war, weil die Songs genau so klangen wie ich es abgespeichert hatte. Auf der Heimfahrt habe ich die Gegenprobe gemacht mit dem Autoradio – passt.

Die Setlist war für meinen Geschmack etwas zu neues-Album-lastig – verständlich, weil es die Tour zum neuen Album war, aber man wünscht sich halt alle liebgewonnenen Klassiker. Blöd, wenn es ein Double-Headliner-Konzert ist, wo die Setlists naturgemäß sparsamer ausfallen müssen. Ich wünsche mir für die Zukunft ein 3h-DragonForce-Konzert, und ich bestimme die Setlist. Vor dem Konzert hätte ich nicht gedacht, dass die Cover-Nummer „My Heart Will Go On“ (ja genau, Titanic, Celine Dion!) Platz auf so einer Setlist haben könnte, aber das Live-Erlebnis war überraschend vergnüglich.

Dann zum Abschluss, nach einer längeren Umbaupause, Amaranthe. Wie immer versagte ich bei der Konzertvorbereitung und kannte kein einziges Lied. Das ist für Bands immer eine besondere Herausforderung, weil ich selten beim ersten Hören Songs gut finde, aber Blackbriar, Ad Infinitum und Phantom Elite hatten das schließlich auch geschafft. Amaranthe gelang es hingegen nicht. Obwohl das Konzept der multiplen Sänger eigentlich ziemlich cool ist – vor allem Frauenschwarm Nils Molin (Rufname unter seinen weiblichen Fans: „Niiiiiiiiiiiiiils“), der die „cleane Männergesangsstimme“ übernimmt, überzeugt absolut mit seiner wundervollen Stimme, die auch perfekt zu den Songs passt. Die Dame im Sangesbunde, Elize Ryd, fand ich hingegen stimmlich nicht so auf der Höhe, deutliche Detailschwächen beim Treffen der Töne, was selbst mir als Nicht-Kenner der Songs auffiel. Der dritte Sänger kümmert sich um die „harsh vocals“, was überhaupt nicht mein Geschmack ist, aber die Mehrheit der Metal-Fan-Fraktion wird mir da sicher widersprechen. Auffällig fand ich, dass die Songs teilweise recht keyboard-/synthilastig sind, aber kein Keyboarder auf der Bühne steht. Kann man machen, komisch fand ich es trotzdem. Auch das Konzept „nur ein Gitarrist“ fand ich tendenziell zu dünn. Bei aller Detailkritik – wenn einem die Songs nicht besonders zusagen, ist eh schon alles verloren. Ich fand es jetzt nicht nervig oder so, die meisten Songs sind schon durchaus gefällig, nach meinem persönlichen Empfinden aber irgendwie zu generisch. Könnten größtenteils auch von einer Symphonic-Metal-KI geschrieben sein. Ausnahme vielleicht „Amaranthine“, was auch ein Fanliebling zu sein scheint. Und das muss man schon festhalten: das Publikum ging gut mit und schien zufrieden. Und das ist ja das Wichtigste bei einer Band-Performance: zufriedene Fans.

Ironischerweise werde ich „aus Gründen“ auch 2026 bei zwei Amaranthe-Konzerten zugegen sein. Experten werden wissen, warum. Vielleicht nehme ich mir diesmal die Zeit, in diverse Songs vorher intensiver reinzuhören. Vielleicht komme ich auf den Geschmack.

Wer das Bedürfnis hat, zu diesem Konzertereignis aus berufenerem Mund informiert zu werden – hier entlang.

Abschließend stelle ich fest, dass, wenn ich mal mit dem Schreiben anfange, durchaus noch ein paar Erinnerungen hoch kommen. Dass ein derart langer Post wird aus den wenigen Zeilen Notizen, die ich im März 2024 angefertigt hatte – überraschend. Und dabei wollte ich den Artikel eigentlich nur schreiben, damit die zeitliche Abfolge der Konzert-Notizen hierzublogs einigermaßen gewahrt bleibt. Denn es gibt noch viele weitere Konzertbesuche zu verbloggen. Stay tuned, wie der Engländer sagt.

Ziemlich genau drei Monate ist es jetzt schon her – mein zweiter Besuch in Utrecht, zum zweiten Mal für ein Konzert von Charlotte Wessels. Es zeichnet sich ein Muster ab. Jedenfalls habe ich ewig an diesem Text rumgedoktort und ihn liegengelassen und Notizen dazugeschrieben und habe mich irgendwie davor gedrückt, den Text in was publikationsfähiges zu überführen. Vielleicht war es die Sorge, dass ein lieblos hingeklatschtes Geschreibsel dem grandiosen Event nicht so richtig gerecht werden würde, dass das Fehlen einer zündenden Idee, einer interessanten mitteilungswürdigen Beobachtung zum Eindruck eines „bemühten Versuchs“ führen würde. Da ich hier aber zuerst für mich als Gedächtnisstütze schreibe und weniger für die hohe einstellige Zahl an regelmäßigen Lesern, und zudem auch nicht demnächst in die Verlegenheit kommen muss, mit Konzertberichten mein täglich‘ Brot zu verdienen, und das ganze Geblogge eigentlich hauptsächlich Spaß machen soll, habe ich mich nun doch dazu durchgerungen, einige Zeilen zu verfassen.

Auch, bevor ich endgültig die vielen Details vergesse – Zeit, die Erinnerungen und Notizen in ein „Konzert-Review“ zu überführen. Genauer: in einen verlängertes-Utrecht-Wochenende-Bericht mit dem Höhepunkt an einem schönen Freitagabend im TivoliVredenburg in Utrecht, Saal „Pandora“: Charlotte Wessels – The Obsession – Live in concert. Nun ja, „Bericht“ – wenn es um Konzerte von Charlotte geht, neige ich ja eher zu „Huldigung“. Man lese meine beiden Abhandlungen zum „Tales From Six Feet Under“-Konzert von Charlotte in Utrecht 2022.

Dieses Mal entschied ich mich für ein paar extra-Tage in Utrecht, um An- und Abreise etwas entspannter anzugehen. Obwohl diese Entscheidung das Verhältnis – Reisekosten – Übernachtungskosten – Konzertkosten vollends ins Absurde driften ließ, war es eine gute Idee – mit mehr Ruhe lässt es sich einfach besser genießen und auch mehr Platz für Aktivitäten drumrum. Vom Eivør-Konzert einen Tag zuvor hatte ich ja schon berichtet, dazu kamen ein paar Zusammentreffen mit anderen Patrons, die ich teilweise noch von Utrecht 2022 kannte – im kleineren (Pancakes bei Anna Pancakes, Burger bei Meneer Smakers) oder größeren (Hangover Hangout Vol. II im Gys) Rahmen.

Ich beginne mit der Erzählung mal mit der Mittagszusammenkunft bei Anna Pancakes in der Utrechter Innenstadt. Ein sehr entspanntes Zusammentreffen mit alten und neuen Bekannten aus dem Patreon-Kreis. Da ich „aus Gründen“ mehr das Pikante denn das Süße bevorzuge, entschied ich mich neben dem obligatorischen Earl Gray für einen Pancake namens „Morning Shizzle“ mit zusätzlich etwas Räucherlachs, was geschmacklich ein absoluter Volltreffer war, und zudem kunstvoll angerichtet. Kein Wunder, dass einige Patrons noch von ihrem Zusammentreffen damals 2022 schwärmten und deshalb für 2024 die Wiederholung ansetzten. Zudem erfolgte hier die konspirative Übergabe der neuesten NSFW-T-Shirt-Kreation mit dem kaum missverständlichen „Pien is rising“-Aufdruck – jedenfalls für Charlotte-Kenner, die mit „Venus Rising“ was anfangen können und die Ziege namens Pien kennen sowie das Misheard-Lyrics-Projekt, das in einem sehr lustigen Video für Charlotte endete. Wer allerdings (wie ich) mit diesem T-Shirt durch die Innenstadt von Utrecht läuft, kommt nicht umhin zu bemerken, dass der Schriftzug durchaus für hochgezogene Augenbrauen bei den Uneingeweihten (also: fast allen) sorgen kann. Ein sowohl merkwürdiges als auch amüsantes Gefühl.

Und dann wurde es auch schon Zeit, sich langsam fürs Konzert anzustellen. In 2022 war das Konzert noch im deutlich größeren Saal „Ronda“ im TivoliVredenburg, der damals nicht ganz voll wurde. Diesmal eine Nummer kleiner im Saal „Pandora“, der restlos ausverkauft war – das dürften rund 700 Besucher gewesen sein. Der Saal befindet sich im siebten Stock des TivoliVredenburg und ist über eine wilde Abfolge von Rolltreppen zu erreichen – was auf dem Hinweg sehr einfach und geradeaus und es-gibt-nur-einen-Weg-nach-oben wirkte, zum Rückweg dann später mehr.

Diesmal machte ich keinen Stop beim Merchandise – es sah sehr voll aus, und ich fühlte mich T-Shirt-mäßig schon sehr gut ausgestattet. Also direkt in den Saal, eine gemütliche Ecke direkt vor dem Mischpult für die optimale Übersicht über das Geschehen ausgesucht. Als Support Act war „Faunea“ angekündigt, ich hatte vorab recherchiert und auch schon vorsichtige Skepsis geäußert vor allem ob des mancherorts gezogenen Vergleichs mit Bjork. Es stellte sich dann aber im Setup „Frau mit akustischer Gitarre“ (im Gegensatz zu den sehr elektronischen synthilastigen Studioversionen) als sehr gut hörbar und vor allem gesanglich hochklassig heraus. Musikalisch nicht mein Ding, aber auch nicht nervig. Und was könnte man mehr von einem Support Act erwarten. Auch soundtechnisch gut abgemischt, was die Vorfreude noch steigerte.

Und so begann nach einem kleinen Intro endlich das Hauptereignis mit dem Opener „Chasing Sunsets“ (keine separate Setlist in diesem Artikel, die gibt es ja zum Nachlesen bei Setlist.fm), eines meiner Lieblingsstücke vom neuen Album „The Obsession“, das auch dem Konzert seinen Namen gab. Und auch live bleibt festzustellen: mit „The Obsession“ haben Charlotte und Band das Kunststück vollbracht, das bisher noch keiner geschafft hat: ein Album voll mit überarbeiteten Versionen von Songs, die ich in ihrer früheren Patreon-Song-Of-The-Month-Inkarnation schon sehr mochte, aber in der Neufassung noch viel besser finde. Üblicherweise, wenn ich mich mal an eine Fassung eines Songs gewöhnt habe, bleibt das für immer meine bevorzugte Version. Nicht so bei den „The Obsession“-Versionen, die ich allesamt besser finde als ihre Urfassungen. Und „Chasing Sunsets“ macht da keine Ausnahme. Der Song ist deutlich härter und metalliger geworden, und – um einen ehemaligen Bürgermeister von Berlin zu zitieren – das ist auch gut so.

Bei „Chasing Sunsets“ schien es einige Probleme mit dem Mikrofon von Charlotte zu geben, man fühlte sich soundtechnisch ganz kurz an die legendären Crowdcast-Audioprobleme bei den Hangouts erinnert, aber wenn ich das von hinten richtig beobachten konnte, war nach einem Mikrotausch alles wieder in Ordnung.

„Dopamine“ folgte, auf dem Album bekanntlich ein Duett mit der großartigen Simone Simons von Epica – die Simone-Fans mögen es mir verzeihen, aber der Song ist live mit Charlotte-Solo-Gesang genauso gut.

Dann wurde die Mischung etwas bunter – Afkicken vom TF6FU Vol.I und Pity Party, SotM #50 vom Mai 2024, bisher auf keinem Album aufgetaucht. Nicht mein Song-Favorit, aber in der Live-Version definitiv der 6FU-Studio-Version vorzuziehen. Mit „Toxic“, „Cry Little Sister“, „Human To Ruin“ und „Superhuman“ kamen dann vier Klassiker aus der TF6FU-Zeit zur Aufführung, bevor mit „Soulstice“ wieder zum aktuellen Album umgeschwenkt wurde. Obwohl die Songs definitiv – Vorsicht, große Worte – aus unterschiedlichen Äras stammen, wirkte der „Song Flow“ im Live-Setting ganz natürlich und harmonisch. Erstaunlich.

Mit „Ode To The West Wind“, eine der Single-Auskopplungen von „The Obsession“ und im Original ein Duett mit Alissa White-Gluz, kam auch (endlich!) Eli mit dem Cello zum Einsatz. Die „harsh vocals“ übernahm wie üblich Otto, der die Aufgabe routiniert erledigte. Und genau wie bei „Dopamine“ fand ich, dass Charlotte diesen Song auch solo überzeugend darbrachte. Und dass Charlotte auch in Hinsicht auf „harsh vocals“ Fortschritte gemacht hat, bewies sie dann bei „The Excorcism“. Sie war voll im Flow und growlte die entsprechenden Passagen mit einer Inbrunst – Respekt. Sie hatte in der Vergangenheit immer wieder betont, dass sie da bei den Growls noch etwas mehr üben muss und immer noch etwas Sorge hat, dass es ihre Stimme möglicherweise zu stark belastet. Vielleicht war deshalb auf der Setlist danach „Combustion“ (ein Instrumental-Stück aus Delain-Zeiten, bei dem die vier Musiker wirklich alle ihr Können unter Beweis stellen dürfen) angesetzt, damit sich die Stimme für 5 Minuten erholen konnte, nur für den Fall der Fälle? Kann ich mir bei Charlotte als akribische Planerin durchaus vorstellen.

Für den nächsten Song, „Praise“, kam dann gesangliche Unterstützung auf die Bühne: zwei Sängerinnen und ein Sänger übernahmen den Vocal-Part des Gospel-Chors, der für die Studio-Version von „The Obsession“ den Gesang geliefert hat. Ich sage mit Absicht nicht „Background-Gesang“, denn das wäre untertrieben. Das Wechselspiel zwischen Chor und Charlotte bei den Vocals gelang auch im Live-Setting ausgezeichnet. Und man könnte sagen, es bereitete den Boden für das erneut wundervolle „All You Are“, bekanntlich eines der eher softeren Lieder aus dem Werk der Charlotte Wessels.

Es folgte „Vigor and Valor“ – oder doch „Vigor & Valor“ (Original-Titel SotM) oder etwa (wie auf dem Album-Cover) „Vigor + Valor“? Jedenfalls ist dieser Song einer meiner Favoriten, schon als Song of the Month, aber noch mehr in der Album-Version von „The Obsession“. Eine runde Sache inklusive des „Breathe“-Outros.

Hatte ich vorher von der akribischen Planerin Charlotte Wessels geschrieben, so verkörpert der dann folgende Song „Backup Plan“ dieses Mindset perfekt – zumindest dem Titel nach. Und es ist auch der Moment, um mal das Bühnenbild anzusprechen – zwei riesige Kronleuchter thronten über der Bühne und verbreiteten irgendwie ein heimeliges Gefühl. Ein paar Wochen nach dem Konzert las ich von einem Stromausfall mitten in einem Rock-Konzert, und musste sofort an die Kronleuchter denken: hatte Charlotte womöglich ein paar Kerzen in petto, als ultimativen „Backup Plan“ für den Fall der Fälle?

Vor den Zugaben dann ein kurzes Überstreifen des passenden T-Shirts mit der Aufschrift „I ❤ Crying“, denn „The Crying Room“ stand an. Charlotte verarbeitet in diesem Stück ihre Ängste, unter anderem davor, auf der Bühne vor vielen Menschen zu stehen, und ich vermute, sie hat mit dem T-Shirt eine Art Bewältigungsritual etabliert, um dem ganzen Problemkomplex eine heitere Seite abzugewinnen. Nebenbei: auf der anschließenden Support-Tour mit Vola schaffte es eine leicht „vergothte“ (schwarzes Herz!) Variante des Shirts mit dem bekannt schlecht leserlichen Font, der auch das The Obsession-Cover ziert, ins Merchandise-Programm, und Charlottes Ansage nach Übertreifen des Shirts fügt inzwischen auch den willkommenen kapitalistischen Effekt dieser ganzen Aktion mit einem Augenzwinkern hinzu. In Patron-Kreisen ist das T-Shirt absolut zum Kult avanciert. Jenseit von all diesem „Gedöns“ soll aber nicht davon abgelenkt werden, dass „The Crying Room“ insbesondere in der Album-Version ein wirklich wunderschöner Song ist. Auch und besonders live. Quasi „zum Heulen schön“.

Und schon sind wir bei den Zugaben, bevor das Konzert dann nach gut zwei Stunden endete. „Against All Odds“ in der bekannten „Unplugged“-Fassung mit Otto, Timo und Charlotte, die aber letztlich auch die Original-Fassung von TF6FU Vol. II ist. „Reduce To The Max“ war mal ein Werbespruch unter anderem für einen Kleinstwagen im Premiumpreissegment von einem Hersteller, den ich ungenannt lassen will. Aber das Motto trifft hier zu, die Trio-Besetzung und genauso viel oder wenig, wie dieser Song braucht. Und fürs Publikum ein Moment zum Verschnaufen und sich an die gute alte Zeit zu erinnern, als man noch Feuerzeuge bei Konzerten schwenkte. Wer bei „The Crying Room“ noch keine feuchten Augen hatte, war spätestens jetzt in Gefahr.

Es folgte „Serpentine“, als SotM #35 noch „The Butterfly Effect“ genannt. Ein Song mit einer ganz bezaubernden Piano-Verzierung, die vermutlich jeder, der das Lied schon kannte, im Geiste schon antizipierte. Und ein weiterer Song in der Liste derjenigen, die von der Band-Überarbeitung für die Album-Version extrem profitierte: das Timo-Somers-Gitarrensolo ist jedenfalls phantastisch. Da wippt der Kopf, und das Herz geht auf.

Oft redet man vom „krönenden Abschluss“, und selten ist es so gerechtfertigt wie hier, denn der letzte Song war „Soft Revolution“, natürlich in der 2024er Album-Version. Auch hier ist natürlich das phantastische Timo-Solo zu nennen, aber generell ist der Song ein Meisterwerk und nach wie vor mein Liebling im an Highlights nicht armen Wesselschen Werk. Und in dieser speziellen Version kam noch die Unterstützung vom Chor hinzu, nochmal ein zusätzliches gewisses Etwas. Hatte ich vorher noch von „Reduce To The Max“ geschrieben, lief das eher unter „More is More is Better“. Das Publikum jedenfalls war der gleichen Ansicht und belohnte die gesamte Performance mit dem wohlverdienten langanhaltenden Applaus.

Nach dem Konzert habe ich auch die Chance genutzt, mit ein paar alten Bekannten von vor zwei Jahren ein paar Worte zu wechseln. Es tut immer wieder gut, die wunderbaren Eindrücke eines solchen Ereignisses direkt mit Gleichgesinnten zu teilen. Auch der Community-Aspekt ist durchaus Teil der Charlotte-Magie. Weniger magisch, sondern eher verstörend, war dann mein Tagesabschlussversuch, aus dem siebten Stock des TivoliVredenburg-Labyrinths wieder ins Freie zu gelangen. Nicht weniger als drei Mitarbeiter (oder waren es nur zufällig herumstehende unbeteiligte Besucher?) musste ich fragen, um die richtigen Rolltreppen nach unten zu erwischen. Wo sind die hilfreichen Hinweisschilder wenn man sie mal braucht. Jedenfalls beeindruckend, was auf jeder Ebene dieses Gebäudekomplexes so alles abgeht zu später Stunde. Sogar an einer Tischtennisplatte bin ich auf meiner Kurzodyssee vorbeigekommen.

Noch ein paar beiläufige Anmerkungen zum Abschluss – in Anbetracht des Gesamterlebnisses so unbedeutend wie unspektakulär. Wie immer muss ich die „Bühnenatmosphäre“ loben. Es fühlt sich immer an wie wenn gute Freunde zusammen Musik machen. Die Atmosphäre wirkt so liebevoll und gleichzeitig entspannt und humorvoll. Voller Freude und auch gegenseitigem Respekt und Zuneigung. Besonders das „Trio“ bei Against All Odds bestehend aus Otto, Timo und Charlotte unterstrich das nochmal.

Irgendwie ist mir auch das Detail unter dem Arbeitstitel „Der Kampf gegen die Luftschlangen“ im Gedächtnis geblieben. Ich habe keine Ahnung wie die Dinger im Event-Fachjargon heißen, es scheinen die Nachfolger von Konfetti-Kanonen zu sein: es werden lange Papierbänder, eben Luftschlangen, aus der Höhe der Bühne im Bogen Richtung Publikum abgeschossen. Das hat neben dem „Aha-Effekt“ dank Flugbahn und Mehrfarbigkeit auch potenziell unerwünschte aber interessante Auswirkungen: einige landen auf der Bühne, was den unverzichtbaren Beardboy zu einem Kurzeinsatz mit dem Besen veranlasste. Und einige bleiben im Hallendeckengerippe und den Scheinwerfern hängen, was sowohl für Publikum als auch Künstler teils zu leichten Irritationen und zu mückenverscheuchartigen hektischen Bewegungen führte. In den diversen Videos auf YouTube vom Konzert kann man einige dieser Luftschlangen da unmotiviert im Bild rumhängen sehen.

Das nächste Konzertereignis dieser Art wird die derzeit für 2025 einzige „Headliner-Show“ im Bibelot in Dordrecht am 2025-02-21 . See you there!

Und damit endet dieser Bericht. Vielleicht schreibe ich noch ein einen Folgeartikel zum „Hangover Day“ am nächsten Tag inklusive „Hangover Hangout“, denn dieser Artikel hier ist schon wieder viel zu lang geworden. Man stelle sich vor, ich hätte den direkt nach dem Konzert verfasst, als ich noch nicht die Hälfte vergessen hatte – nicht auszudenken, das hätte ja kein Schwein gelesen. Gruß an alle, die bis hierher durchgehalten haben.

Noch ein spezieller Service für Charlotte-Patrons: hier der Link zum „The Obsession Release show photoblog“, um mit Hilfe einiger sehr schöner Fotos (auch zur Illustration „Profis machen echt viel bessere Fotos“ geeignet) in Erinnerungen an dieses Konzertereignis zu schwelgen.

Nach dem sanften Aufgalopp gestern bei der unvergleichlichen Eivør bin ich jetzt voller Vorfreude auf das eigentliche Highlight des verlängerten Wochenendes: Charlotte Wessels: The Obsession Live in concert. Utrecht, TivoliVredenburg, 19.45h geht es los. Diesmal im „Pandora“-Saal, ausverkauft, es sind also etwa 600 Zuschauer/-hörer zu erwarten. Das ist ungefähr so das Limit, bei dem ich Konzerte noch genießen kann, je größer es dann wird desto schwieriger.

Support Act ist Faunea. Nie gehört. Offenbar eine Dänin mit peruanischen Wurzeln. Die Songs „Dark electronic vibe“ und die Stimme „a delightful combination of lightly intimate yet surprisingly powerful and dark.“. Wird ab und zu mit Björk verglichen, was wir in Anbetracht der Gefahr einer Schmälerung der Vorfreude gleich wieder vergessen. Aber bei allen Vorgruppen gilt es, vorurteilsfrei zuzuhören, und die letzten Jahre wurde ich deutlich seltener enttäuscht und/oder genervt als die Jahrzehnte davor. Wird schon passen.

Zurück zur Charlotte-Vorfreude. Der letzte Vorfreudebericht war ja noch vor dem Album-Release – da gab es zwar schon vier der fünf vorab veröffentlichten Singles (sind es eigentlich noch Singles, wenn es weder CD-Singles noch Vinyl-Singles davon gibt?), die deutlich die Richtung anzeigten, aber man ist sich ja nie ganz sicher. Jetzt kann ich aber eins sagen: das komplette Album ist ein absoluter Volltreffer, insbesondere Vigor & Valor sowie Soft Revolution sind in der „Band-Fassung“ nicht weniger als sensationell. Ja, das konnte die Vorfreude noch um einiges steigern.

Auch das „Eingrooven“ bei Anna Pancakes mit ein paar anderen „fellow masterpieces“ war wunderbar. Jetzt aber noch kurz etwas entspannen, bevor dann das Konzert losgeht. The Hype Is Real.

Weil es zeitlich zufällig mit meinem Utrecht-Ausflug zwecks „Charlotte Wessels – The Obsession live in concert“ zusammengepasst hat, habe ich gerade/soeben/gestern Abend das Vergnügen gehabt, einem Eivør-Konzert beizuwohnen. Wer Eivør nicht kennt (so wie ich bis vor zwei Jahren oder so nicht mal dem Namen nach): sie ist eine Singer-/Songwriterin von den schönen Färöer-Inseln, die es hierzulande zu einiger Bekanntheit schafften nicht nur aufgrund des leicht gereizten Auftritts von Rudi Völler nach einem blamablen Spiel der Fußball-Nationalmannschaft im Juni 2003 (ja, so lange ist das schon wieder her…wir waren damals gerade amtierender Vize-Weltmeister, die Älteren erinnern sich). Immerhin reichte es damals noch zu einem 2:0-Zittersieg nach 89 torlosen Minuten gegen den erwartet starken Gegner – am Ende führte es zum legendären „Weißbier-Waldi-Interview“ nach einem Unentschieden gegen die nicht minder starken Isländer Ende 2003. Aber ich schweife ab – Musik soll das Thema sein. Durch die Mitarbeit am Soundtrack für zwei Teile der „God of War“-Spielereihe ist Eivør auch außerhalb der verschworenen Fangemeinde bekannt geworden. Und mit ihrem Auftritt in Wacken 2023 erschloss sie nochmals ein ganz anderes Publikum. Oder vielleicht doch das Gleiche?

Zurück zum Konzert. Ort der Handlung: TivoliVredenburg, Utrecht – Saal „Ronda“, ausverkauft – also vermutlich so um die 2000 Zuschauer. Support-Act war Sylvaine, dahinter steckt die norwegische Musikerin Kathrine Shepard. Und die kann echt gut singen – heidanei, wie der Schwabe sagt, oder „wow“ für die Restdeutschland-Fraktion. In der Wikipedia wird das Projekt unter „Black Metal“ und „Blackgaze“ (und da ist sie wieder, meine Überforderung mit den diversen Metal-Subgenres) einsortiert. Keiner der performten Songs waren in irgendeiner Art „Metal“, zumindest für meine Ohren. Es war eher so „mystischer Folk“ würde ich sagen. Atmosphärische Klänge mit Super-Gesang. Den Abschluss bildete eine A-Capella-Version eines alten norwegischen Volksliedes. Große Sangeskunst. Laut Wikipedia gibt es Sylvaine auch in der Live-Ausprägung mit Bandbesetzung, aber heute war Solokunst angesagt.

Kommen wir zu Eivør. Sie singt bunt gemischt in Englisch und Färöisch (Färösisch? Färingerisch?). Bei letzterem kann man sich also voll auf die musikalische Atmosphäre konzentrieren und wird nicht durch etwas schnödes wie Lyrics abgelenkt. Tatsächlich funktioniert das sehr gut – die Musik ist problemlos in der Lage, das „Gefühl“ zu transportieren, und die einleitenden Worte – Kompliment für die diversen Ansagen, der Dame sitzt wirklich der Schalk im Nacken – reichen völlig aus, um das Thema grob zu umreißen – den Rest erledigt die Phantasie des Zuhörers.

Wer jetzt von mir erwartet, den Musikstil hier einzugrenzen – keine Chance. Die Songs reichen von „mystischem Folk“ (hey, diese Idee für eine Genre-Bezeichnung gefällt mir so gut, dass ich sie hier gleich noch mal erwähnen will – das setzt sich sicher in der Breite durch!) bis hin zu etwas poppigen Nummern. Manchmal sparsam instrumentiert, teilweise nur mit E-Drums untermalt, aber dann wieder „volle Lotte“ mit Synthi, E-Gitarre und Schlagzeug. Und einem Bass-Fiedel-Dings-Instrument, das ich leider aufgrund mangelhafter musikalischer Grundbildung nicht genauer benennen kann. Genausowenig wie die große Trommel, mit der Eivør bei einigen Songs den Grund-Beat schlägt, beispielsweise bei „Trøllabundin“, was nach meinem Eindruck einer der Fan-Favourites war.

Insgesamt war das ein wirklich spezielles Erlebnis. Zwei herausragende „nordische“ Sängerinnen an einem einzigen Abend. Und obwohl die Songs nun gar nicht meinen favorisierten Genres zuzuordnen sind, habe ich trotzdem gerne und aufmerksam zugehört. Und das ist fast das größte Kompliment, das ich für „nicht mein Genre“-Künstler zu vergeben habe. Und vergnüglich war es obendrein – ich erwähnte es oben schon. Gesangstechnisch war es jedenfalls Spitzenklasse.

„Einmalig“ steht im Titel dieses Blog-Posts. Ich empfehle jedem, auch mindestens einmal im Leben das Eivør-Erlebnis mitzunehmen. Ich bin jedenfalls glücklich und zufrieden damit. Ob es bei „ein Mal“ für mich bleiben wird, da muss ich jetzt erst mal drüber schlafen.

Zwei Dinge stehen demnächst an, auf die ich mich wie ein Schneekönig freue (da fällt mir ein, dass ich die Herkunft dieses Sprichworts gar nicht kenne…wie freut sich ein Schneekönig…und was ist das überhaupt, ein Schneekönig?): Release des neuen Charlotte-Wessels-Albums „The Obsession“ am 20. September, und die „Release Show“ in Utrecht im TivoliVredenburg am 4. Oktober. Fast zwei Jahre nach der legendären „Double Release Show“ namens Tales From 6 Feet Under, die mir damals zwei Blogeinträge wert war.

Als Patron der schönen Künste kenne ich die Lieder der Tracklist des neuen Albums natürlich schon, aber eben „nur“ die initialen Patreon-Versionen und nicht die finalen, mit der ganzen Band erarbeiteten und aufgenommenen Versionen die auf dem Album sein werden. Und die inzwischen vier releasten Songs – The Exorcism, Chasing Sunsets, Dopamine und The Crying Room – lassen mich da ein Muster erkennen. Nämlich, dass ich die neuen Band-Versionen fürs Album sooooooo gut finde. Was einigermaßen ungewöhnlich ist, denn in der Regel bin ich bei Songs die ich gut finde sehr stark auf die initiale, liebgewonnene Version geprägt. Aber bei der Ausnahmekünstlerin gibt es dann wohl die Ausnahme von der Regel.

Und jetzt hat ein Album-Vorab-Reviewer auch noch ein weiteres Vorfreude-Fass aufgemacht und in den höchsten Tönen die neue Version von „Soft Revolution“, meinem absoluten Lieblingssong und auf dem neuen Album der finale Track, gelobt. Wer hat da nicht sofort die Assoziation „krönender Abschluss“. Und bekanntlich ist ja auch noch einer meiner Lieblingssongs, Vigor & Valor, auf dem neuen Album vertreten. The suspense is killing me. Und nein, Vorfreude ist nicht die schönste Freude. Wenn ich zum Konzert nach Utrecht fahre, auf dem Weg dorthin das neue Album auf Repeat hören werde – DAS wird die schönste Freude sein. Dann das Konzert, der voraussichtlich allerschönsten Freude.

Aber bis dahin…freue ich mich eben an der Vorfreude.

Die Vorgeschichte dieses Konzertbesuchs im Colos-Saal zu Aschaffenburg beginnt im April diesen Jahres. Ich weilte in den Niederlanden zwecks eines großartigen Konzertereignisses im weltweit bekannten Musik-Hotspot De Bosuil in Weert, Provinz Limburg. Support-Act aka „Special Guest“ bei der wunderbaren Charlotte Wessels war die niederländische Combo Blackbriar mit der ebenso wunderbaren Zora Cock als Sängerin. Und was die da performt haben, fand ich schon ziemlich gut. Als dann eine Double-Headliner-Tour zusammen mit Ad Infinitum (da kannte ich zu diesem Zeitpunkt nur die Sängerin Melissa Bonny, allerdings nur in ihrer Funktion als Sängerin von The Dark Side Of The Moon mit dem May-It-Be-Duett zusammen mit Charlotte Wessels (ja, ein Enya-Cover), und auch aus einem sehr sehens- und hörenswerten Gastauftritt beim Song und Video von „Ding“ in der Coverversion von Feuerschwanz) angekündigt wurde, war Aschaffenburg terminlich und räumlich die Konzertlocation der Wahl.

Wie sich dann herausstellte, kam auch noch Phantom Elite als Support-Act dazu. Eine eher unbekannte niederländisch-brasilianische Metal-Band, die konsequenterweise auch nur bei der niederländischen Wikipedia einen Eintrag hat. Also eine mir bekannte und zwei mir unbekannte Bands mit dem einigenden Attribut „Heavy Metal“. Ob das gutgeht? Zudem mein erstes Konzert, bei dem ich von keinem der Beteiligten einen Tonträger zu Hause habe. Was kann schon schiefgehen.

Zuerst also Phantom Elite. Ich bin kein Experte bei den zig Metal-Stilrichtungen von Symphonic Metal über Metalcore bis Progressive Metal, die angeblich oder tatsächlich bei Phantom Elite zusammengebraut werden. Ich kann nur sagen: das fetzt, das rockt, das bangt. Die Sängerin Marina La Torraca ist eine Naturgewalt, sowohl was das gesangliche Vermögen als auch die Bühnenpräsenz angeht. Dazu ein alter Bekannter auf der Bühne: Siebe Sol Sijpkens, im Hauptberuf Bassist bei Blackbriar und damit an diesem Abend gleich doppelt im Einsatz, mischt auch bei Phantom Elite mit. Seine Hyperaktivität auf der Bühne macht einfach Spaß beim Zuschauen. Strich drunter: eine großartige Stunde Musik. Bin jetzt Fan.

Als Nächstes: Blackbriar. Mit einem ähnlichen Set am Start wie damals bei Charlotte, bin ich erneut begeistert. Zoras Gesang ist etwas ganz Besonderes, zwischen zerbrechlich und ver- und bezaubernd, die Songs mit wunderschöner Melodieführung, dazu die zwei Jungs an der Stromgitarre und Siebe am Bass noch dazu – großes Kino. Ist es jetzt Goth Metal oder Symphonic Metal oder Alternative Metal? Wurscht. Es ist einfach großartig. War, bin und bleibe Fan.

Kommen wir zu Ad Infinitum. Melissa Bonny war gesundheitlich leicht angeschlagen – dass man das aber nur bei den Ansagen zwischendurch gemerkt hat und nicht bei der Performance der Songs, spricht für ihre unglaubliche Professionalität. Und was diese Frau auf der Bühne abzieht und zudem souverän zwischen Clean und Harsh Vocals hin- und herwechselt – erneut: ganz großes Kino. Bin jetzt Fan.

Damit bleibt nach etwa vier Stunden die Erkenntnis des Abends: wieder sind aller guten Dinge drei. In diesem Falle alle drei. Und nach meinem Empfinden ging es dem Rest des Publikums im pickepackevollen Saal genauso.

Und was ist mit Kritik? Nur (Neu-)Fanboy-Geschreibsel hier? Aber nein. Denn leider leider hat ein sehr tauber Toningenieur am Mischpult den Konzertgenuss doch etwas getrübt. Zu viel Bass, zu viel Drums, zu wenig Gesang. Shame on you, Mister Sound Engineer. Denn während meistens mehr tatsächlich mehr ist, wäre in diesem Falle weniger mehr gewesen.

Schrieb ich oben was über die völlige Abwesenheit physischer Tonträger dieser Bands in meinem Besitz? Beim nächsten Konzert, und zwar egal von welcher dieser drei Bands, werde ich das nicht mehr schreiben können.

Für die Zwecke einer schönen Alliteration wäre es besser gewesen, den Titel „Müde Männer machen Musik“ zu wählen, aber nichts könnte weiter von meinem Eindruck vom letzten Sonntag entfernt sein. Vielleicht „Muntere Männer machen Musik“? Warum nicht gleich „Musik macht müde Manner munter“? Naja – wir sind doch hier nicht bei Axel Frischmilch.

Scherz beiseite. Tatort war die Liederhalle in Stuttgart, der „wunderbar geschmückte Hegel-Saal“ (Zitat Günther Sigl). Obwohl Ankündigung und Ticket eher auf „Double Headliner“ schließen ließ, war die Aufteilung der Auftrittsdauer ganz in meinem Sinne: etwa 1h machte die Münchener Freiheit den Anheizer, nach etwa 20min Umbaupause kam dann die Spider Murphy Gang mit ihrem vollen Set von über zwei Stunden zum Einsatz.

Die Jungs von Grachmusikoff traten zuletzt unter dem selbstironischen Motto „Too old to die young“ auf, und besonders bei den Spiders mit den zwei Gründungsmitgliedern Günther Sigl und Barney Murphy (aka Gerhard Gmell – Randnotiz: Wikipedia, IMDB, Spider-Homepage, seine eigene Homepage und der Rest der Welt scheinen sich uneinig, ob er nun „Barny“ oder „Barney“ heißt…die Wikipedia verwendet konsequenterweise beide Schreibweisen, um die Verwirrung noch zu steigern) – seit 1977 zusammen auf Tour in Sachen Rock’n’Roll – trifft dieses sicherlich voll zu. Bei der Münchener Freiheit, gegründet 1980, ist immerhin noch Gitarrist Aron Strobel, der auch zusammen mit dem ehemaligen Sänger Stefan Zauner die bekannten Hits geschrieben hat, als Gründungsmitglied an Bord. Mit Jahrgang 1958 ist er aber über 10 Jahre jünger als „Bühnensenior“ Günther Sigl.

Das eher honorige Ambiente der Stuttgarter Liederhalle – wie gesagt, der wunderbar geschmückte Hegel-Saal war Ort der Handlung – wo tendenziell eher klassische Konzerte und ab und an auch Konferenzen stattfinden war also durchaus angemessen für diese beiden Bands, die vor allem in den 80ern des vergangenen Jahrhunderts deutsche Musikgeschichte geschrieben haben. Auch schon wieder 40 Jahre her.

Natürlich war es unvermeidlich in den 80ern, die Lieder der Münchener Freiheit zu kennen. Kaum jemand aus meiner Generation hat nicht „Ohne Dich schlaf‘ ich heut‘ Nacht nicht ein“ oder „Solang man Träume noch leben kann“ gehört und gekannt. Zumindest den Refrain kann praktisch jeder mitsingen. Und ich durfte feststellen, dass mein 80er-Gedächtnis noch voll intakt ist und ich von den 13 gespielten Liedern die damals mir bekannten 10 weiterhin weitgehend textsicher mitsingen kann. Immer noch nicht voll mein Geschmack, weil etwas zu poppig und schlagerartig, aber man kann sich das sehr gut eine Stunde lang anhören ohne es zu hassen. Und das ist ja wirklich für einen „Support Act“ schon eine herausragende Leistung. Mindestens der halbe Saal jedenfalls war ziemlich begeistert. Auch wenn ich zugeben muss, dass mich der Sänger (nicht mehr Gründungsmitglied Stefan Zauner, sondern seit 2012 Tim Wilhelm) nicht ganz abgeholt hat – die Stimmfarbe ist einfach anders und klingt für mich, der ich die Lieder nur im Original und aus der Konserve kenne, irgendwie „falsch“. Nicht schlecht, aber eben anders. Hier die Setlist zum Nachlesen.

Nebenbemerkung: keines der Gründungsmitglieder ist gebürtiger Münchener, im Gegenteil haben sich da drei waschechte Schwaben (zwei württembergische, ein bayerischer) in das Lineup gemischt. Der Name war und ist also nicht unbedingt Programm wenn man so will.

Sehr angenehm fand ich, dass die Lieder live einen deutlich rockigeren Eindruck machen als aus der Konserve, die ja doch eher poppig-flauschig-zuckersüß daher kommen. Die E-Gitarre von Aron Strobel ist im Mix sehr präsent und trägt zusammen mit dem Bass von Michael Kunzi den entscheidenden Teil dieser angenehmen Härte bei.

Kommen wir zu den Spiders. Günther war sehr gut aufgelegt und hatte einige erweiterte Ansagen in petto, zuzüglich der Klassiker vor „Mit’n Frosch im Hois und Schwammerl in de Knia“ – von Menschen, die auch selbst „Hokuspokus“ auswendig kennen, gerne mit einem überraschenden Auftauchen von „Immer auf die Kleinen“ in der Setlist verwechselt – und natürlich die feinen Textanpassungen bei „Überdosis Rock’n’Roll“ und „Wo bist Du?“, um das Kennerherz zu erfreuen (ich warte ja seit über 20 Jahren darauf, dass die „DDR“ mal aus dem Text von „Ich grüße alle und den Rest der Welt“ verschwindet). Und immer wieder der Hinweis auf den „wunderbar geschmückten Hegel-Saal“. Gefehlt hat eigentlich nur die Willie-Duncan-Geschichte vom einzigen Schotten weltweit, der bayrisch singt. Aber manchmal ist ja das Weglassen die große Kunst. Sehr gefreut hat mich der kurze Rückblick auf das 40jährigen Jubiläumskonzert, das mir noch in bester Erinnerung ist.

Die Setlist war dann eher Standard:

  • Überdosis Rock ’n‘ Roll
  • Rock ’n‘ Roll Schuah
  • Vis-a-vis
  • So a Nacht
  • Mit’n Frosch im Hois und Schwammerl in de Knia
  • Sommer in der Stadt
  • Ich grüße alle und den Rest der Welt
  • Pfüati Gott Elisabeth
  • Schickeria
  • Wer wird denn woana
  • Ich schau‘ dich an (Peep Peep)
  • Wo bist Du?
  • Skandal im Sperrbezirk

Zugaben:

  • Achterbahn
  • Herzklopfen
  • Mir san a bayrische Band

Wie immer hat Günther seinen sehr optimistischen Ausblick auf die nächsten Jahre verkündet, wie lange die Spiders noch auf der Bühne stehen werden. Ich könnte mir vorstellen, dass mindestens das 50jährige Bühnenjubiläum noch ein realistisches Ziel sein dürfte. Auch wenn man bekanntlich, selbst wenn man junggeblieben ist, nicht jünger wird. Im Gegensatz zur Münchener Freiheit jedenfalls ist kaum vorstellbar, dass die Spiders den Sänger wechseln und weitermachen. Das wäre wie die Rolling Stones ohne Mick Jagger. Wobei, Queen ohne Freddy Mercury wurde ja auch versucht…

Dieses Konzert-Review ist einer besonderen Person gewidmet, die leider nicht zum Konzert kommen konnte.

Aller guten Dinge sind drei. Alter Spruch. Zeit, ihn mit Leben zu füllen: nach Utrecht (Oktober 2022, TivoliVredenburg) und Weert (April 2023, De Bosuil) nun der würdige Abschluss der „Tales From Six Feet Under – Live In Concert – Dutch Clubtour“ im MEZZ in Breda.

Hinfahrt war zäh – Anreise am Freitag schien eine gute Idee, um einen Tag Entspannung vor dem Konzert zu haben. Aber spätnachmittags durch die Niederlande war der Verkehr eher suboptimal. 8h30min stand am Ende für 560km. „Zäh“ scheint da ein angemessener Begriff.

Ich überspringe mal das Drumrum vom Hotel über den Fußmarsch durch Etten-Leur mit Enten- und Gänse-Beobachtung bis zum Sightseeing in Breda (aufgeschoben ist nicht aufgehoben, es gibt noch ein paar sehr holländische Erkenntnisse zu verbloggen) und komme direkt zum Hauptteil: das Review.

Special Guest aka Support-Act aka Vorgruppe war wieder Blackbriar. Diesmal war der Bassist mit dabei. Lag es daran, dass ich die Musik diesmal noch besser fand als in Weert? Und was ist das geeignete Wort für Zoras Gesang? „Enchanting“ würde der Engländer wohl sagen. Bezaubernd. Verzaubernd. Ich wähne mich schon auf dem Weg zum Fan. Auch schön zu sehen, wie zahlreich die Blackbriar-Fans wieder am Start waren. Nur die Sache mit der „Dutch Clubtour“ hat Blackbriar nicht so verinnerlicht, mir war es recht: Sprache der Wahl zwischen den Songs war Englisch.

Der Anfang von Blackbriar war für mich 20s „Gehirn-Stürm“, um auch mal die Ärzte zu zitieren. „Wow, die Bühne sieht viel kleiner aus als im De Bosuil. Oh, warum ist die Abmischung so schlecht? Man hört Zoras wundervolle Stimme kaum. Moment, warum stehen da drei Jungs mit Gitarren, das waren doch nur zwei in Weert? Stimmt, da hat fürs klassische Lineup 2x Gitarre 1x Bass ja einer gefehlt, warum fällt mir das jetzt erst auf? Kein Wunder, einer mehr, der sich auch noch unglaublich viel bewegt, klar sieht die Bühne dann kleiner aus!“ Dann hat der Mensch am Mischpult die Regler geregelt, Zoras Stimme angemessen im Mix platziert, und ich habe mich den Rest der Performance darauf beschränkt, einfach nur zu genießen ohne weiter über unwichtige und ablenkende Details nachzudenken.

Amüsanter Vorfall zwischendurch bei einer von Zoras Ansagen: „The next song is…I don’t know (geht breit lächelnd kurz nach hinten, um auf die Setlist zu schauen)“. Ich erspare mir und den geneigten Lesern (spürt Ihr den Optimismus? Plural! „Den Lesern“!) hier das naheliegende Wortspiel mit „Blackout“. Ooops, doch nicht. Jedenfalls kam es mir fast so vor, dass dieses Nicht-Ereignis ein wenig den Ton für den ganzen Abend setzte: entspannte Wohlfühl-Atmosphäre, wie man es sich zum Tour-Abschluss wünscht. Nicht so zu verstehen, dass es an Spannung und Drive gemangelt hätte, ganz im Gegenteil – aber es war so eine Unverkrampftheit, so ein Verzicht auf den allerletzten Perfektionismus, ein guter „Flow“. Bonuspunkte für Zora für das Weglassen der seltsamen geweihartigen Kopfbedeckung, die mich in Weert irgendwie…irritiert hat.

Trotz der qualitativ hochwertigen Vorgruppe – man kommt ja irgendwie doch für den Haupt-Act. Kurz nach 21.30h war es dann soweit: Charlotte und Band betraten die Bühne. Zuvor gab es eine Animation auf dem großen Schirm aka „das große runde Ding in der Mitte“ der Charlotte-Figur aus dem Superhuman-Video, die langsam größer wurde und so ein Näherkommen des Ereignisses symbolisierte. Es sind halt die liebevollen Details, die den geneigten Zuschauer faszinieren, und wenn ich mich recht erinnere, war es auch neu gegenüber dem Weert-Konzert. Also nicht nur liebevolle Details, sondern auch liebevolle Detailoptimierung während die Tour läuft.

Wie immer vorab mal die Setlist zur Orientierung (nach meiner Erinnerung…Fehler und Unvollständigkeiten nicht ausgeschlossen):

  • Ouverture (mit Claire)
  • Human To Ruin
  • Superhuman
  • Afkicken
  • The Phantom Touch
  • Venus Rising
  • Source Of The Flame
  • Cry Little Sister
  • Good Dog
  • Toxic (harsh vocals von George)
  • Mary On A Cross (Ghost-Cover, Duett mit Zora Cock von Blackbriar, und Eli am Cello)
  • I Forget (mit Eli am Cello)
  • Victor (mit Eli am Cello, und mit Claire)
  • A Million Lives
  • FSU (2020)
  • Combustion
  • The Final Roadtrip (mit Eli am Cello)
  • Soft Revolution

Zugaben:

  • Against All Odds
  • All You Are

Outro:

  • Utopia

Der Kenner entdeckt kleine Abweichungen zur Weert-Setlist. The Phantom Touch ist nach vorne gerutscht, und das Duett mit Aafke Romeijn („Alles wat ik wil“) wurde wie angekündigt ersetzt durch das Duett mit Zora („Mary On A Cross“, eine Coverversion des Ghost-Originals – Studio oder live). Damit bleibt nun für Aafke nach meiner Meinung nur noch der ehrenwerte dritte Platz in der ewigen Live-Duett-mit-Charlotte-Rangliste, denn Charlotte mit Zora…das ist schon ganz großes Kino. Und noch eine kleine Anmerkung: es herrschte hier für diesen einen Song ein Musikerinnenübergewicht auf der Bühne. Sophia, Eli, Zora und Charlotte stellten auf 4:3. Ich bin mir sicher, das war ein wichtiger Punkt in der Wessels-Bucket-List.

Aber beginnen wir am Anfang. Geschäftssprache war wieder holländisch, wie es sich für eine „Dutch Clubtour“ gehört. Charlotte empfahl charmant den nicht im Holländischen Bewanderten die Verpflichtung eines persönlichen Dolmetschers aus dem Publikum, was in meinem Umfeld nicht zu durchschlagendem Erfolg führte (aber dankenswerter Weise konnten hinterher im Discord wichtige Details geklärt werden – danke an alle Beteiligten!). „Claire“, für die Uneingeweihten, ist Charlottes Klarinette. An der Musikhochschule hat sie das Spielen der Klarinette perfektioniert und hat schon scherzhaft bemerkt, dass das für eine Sängerin ein eher ungünstiges Instrument ist. Aber sie baut wann immer es geht die gute Claire in Performances ein. „Eli“ hingegen ist eine echte Person, Elianne Anemaat, die mit ihrem Cello einigen der Songs den ganz besonderen Zauber verleiht. Auch dem Duett.

Das neu gebildete Song-Duo „Afkicken“ mit „The Phantom Touch“ brachte nach „Superhuman“ Tempo und etwas Härte in die Geschichte – meines Erachtens eine gute Umstellung in der Setlist. Überhaupt „Afkicken“ – neben mir sagte jemand „That’s the Dutch song“ – der wächst mir auch dank des Tänzerinneneinsatzes immer mehr ans Herz in der Live-Version. Und ich hatte das Gefühl, dass Charlotte spätestens ab hier im „FSU-Modus“ war und noch mehr Power in die Songs legte als gewohnt. „Venus Rising“ hat mir auch wieder sehr gut gefallen. Die Ansage zu „Good Dog“ schien für den holländischsprachigen Teil des Publikums sehr erheiternd, wenn ich es richtig verstanden habe kam auch die neue Patron-Tradition des „Meows“ zur Sprache. Und bei „Toxic“ dann der großartige Einsatz von George für die harsh vocals. Nebst Tanzeinlage. Dann „Mary On A Cross“ mit Zora im Duett – oben schon angesprochen, aber eine Wiederholung wert. Die beiden Stimmen harmonieren so phantastisch, das Song-Arrangement passt so perfekt – man (also ich!) ist vergeblich auf der Suche nach weiteren Adjektiven, die der Schönheit der Sache gerecht werden.

Wenn dann Otto schon vor den Zugaben den Kittel auszieht und im roten Shirt weiterrockt, weiß man, dass es langsam ernst wird und aber gleichzeitig leider auch schon dem Ende eines wundervollen Abends zugeht.

„FSU“ war wieder ein echtes Highlight. Charlotte war absolut im „wir reißen jetzt die Hütte ab“-Modus und legte eine Performance hin…wow. Auch wenn – Kritik auf sehr hohem Niveau, aber da kommt der Bruddler wieder in mir durch – vielleicht an der einen oder anderen Stelle hier die Power auf Kosten der letzten gesanglichen Präzision geht.

Von „Combustion“ habe ich im Delain-Kontext nie Notiz genommen. Aber was Timo und Joey da zusammen mit Otto abreißen ist schon allererste Güte. Und nur ein kurzer Zwischenstopp zum Auftakt zum Finale namens „The Final Roadtrip“, der in der Live-Version angenehm rockig rüberkommt.

Den Abschluss vor der Zugabe bildet – kann man nach fünf Konzerten schon „traditionell“ sagen? – „Soft Revolution“. Diesen Song habe ich schon ausgiebig gelobt und ich halte ihn für ein Meisterwerk. Aber die Live-Performance ist etwas sehr besonderes: zum Ende gibt es die dreistimmige Charlotte über die Loopstation, und dann spielt Timo allein mit der Gitarre weiter – einer der zahlreichen Gänsehautmomente. Und danach dann „Against All Odds“ in der Akustik-Trio-Formation, das ruhige Stück vor dem Finale mit „All You Are“ mit einem weiteren Versuch, der Publikumsmeute Gesang zu entlocken. Es würde mich wirklich interessieren, wie sich das auf der Bühne anhört…von meiner Position aus klang es – wie soll ich es optimistisch formulieren – nicht so besonders überzeugend.

Und dann war es auch schon wieder vorbei. Zwei Stunden Musik und Show können verdammt schnell rum sein, so wie es bei allen grandiosen Dingen eben ist. Die Zeit verfliegt. Und man wünscht sich eine professionelle Videoaufzeichnung, um den Moment immer wieder erleben zu können. So bleibt es leider bei den bekannten Unzulänglichkeiten des eigenen Erinnerungsvermögens. Möge dieses Review dabei helfen, die Erinnerungen wachzuhalten.

Charlottes Konzertendeansprache war sehr emotional, so ein letztes Konzert einer Tour ist eben etwas besonderes. Jetzt geht es wieder ins Studio, neues Album steht an, und ich bin schon gespannt wann ich das genießen darf. Und ich bin sicher, alle bei diesem Konzert Anwesenden werden auch die dann hoffentlich folgende Tour wieder besuchen, wenn es sich irgendwie einrichten lässt. Charlotte hat schon mehrfach anklingen lassen, dass sie nun ein „klassisches“ Album machen will, eine lange Writing Session mit Song-Flow aus einem Guss. Ich bin ja klassischer Album-Höhrer und Traditionalist, aber ich konnte bei den Tales From Six Feet Under-Alben da keine Mängel feststellen im Song-To-Song-Flow, das hat alles super zusammen gepasst nach meinem Gefühl. Interessant wird sein, inwiefern bestehende Songs Of The Month in überarbeiteter Form dann auf dem neuen Album erscheinen. Was könnte man bei „Chasing Sunsets“ oder „The Butterfly Effect“ oder „Vigor & Valor“ oder „Fool’s Parade“ noch verbessern? Keine Ahnung, für mich klingen die schon perfekt. Deshalb ist es ja so spannend. Wobei natürlich „Instrumente von echten Musikern einspielen statt Cubase-Instrumentenplugins verwenden“ Verbesserungspotenzial verspricht.

Auch diesmal gab es die nachkonzertlichen Ohrwürmer, die mir Charlotte eingepflanzt hat – „Victor“ und „A Million Lives“. Vor mich hingesummt auf dem ganzen Weg zum Hotel. Warum sind das eigentlich immer andere Songs? Weil die Liste der potenziellen Ohrwürmer eben sehr viele Einträge hat. Das ist für mich auch Teil der Charlotte-Magie.

Harter Themenwechsel. Rückfahrt war super. Sonnig, trocken, 6h15 (mit Pausen). Ich betrachte die Autobahn als rehabilitiert. Zumindest am Sonntag. Der Haken: 5h30 reine Fahrzeit ist zu lang für die „Charlotte Wessels Songs of the Month“-Playlist – selbst wenn man „Chasing Sunsets“ noch ein paar mal wiederholen lässt. 2h39min ist derzeit die Playlist lang mit allen 38 Songs of the Month. Rund 3h fehlen also noch, macht also satte 45 klassische 4min-Songs. Way to go, Charlotte! Alternativ wäre natürlich ein Konzert in der Nähe eine im wahrsten Sinne des Wortes naheliegende Lösung für dieses Dilemma. Andere mögliche Lösungswege wie epische Progrock-Songlängen…ich will niemand auf schlechte Ideen bringen.

Daheim angekommen, aus dem Auto ausgestiegen, und zwei völlig andere Songs waren in meinem Kopf: „Wees Liever Boos“ (einer der „Lost Songs Of The Month“ der wohl nie live gespielt werden wird – wann hätte der besser gepasst als bei der „Dutch“ Clubtour?) und das schon erwähnte „Chasing Sunsets“, der neueste Song Of The Month. Wenn letzterer nicht auf dem nächsten Album ist und prominent auf der Setlist der nächsten Tour auftaucht, falle ich vom Glauben ab.

Bleibt die Frage: wer ist eigentlich dieser George? Schien bekannt zu sein, nur mir natürlich wieder nicht. Ein bisserl recherchiert, Charlottes Nach-Konzert-Instagram-Post intelligent interpretiert, 3 und 7 zusammengezählt…ich tippe mit 98,3%iger Sicherheit auf George Oosthoek, (unter anderem) einer der Sänger bei MaYan (nur echt in der niederländischen Wikipedia). Ich versuche weiter, Experte für niederländische Musikberühmtheiten zu werden, auch wenn ich für das laufende Jahrzehnt da wenig Hoffnung sehe.

Aktualisiert 2023-06-01 – etwas mehr Text, bessere Formulierungen

Manche Dinge dauern etwas länger. Meine Ausrede ist, dass ich ja kaum ein Konzert besuchen kann, wenn ich noch nicht mal die Band kenne. Und leider tue ich das – wie hier beschrieben – erst seit vergleichsweise kurzer Zeit. Kann man nicht ändern – dann halt mein erstes Delain-Konzert erst in der post-Charlotte-Ära. Ort der Handlung: Das Wizemann in Stuttgart, genauer der „Club“. Nahezu ausverkauft würde ich sagen, also mindestens 500 Fans bei eher sparsamer Belüftung. Eben „Club“.

Anreise per Auto in der Stau- und Baustellenhauptstadt Stuttgart erfordert akribische Planung, und so hat das leidlich funktioniert. Das Parkhaus fürs Wizemann-Areal ist etwas abenteuerlich – die Zufahrt, die gleichzeitig Ausfahrt ist, ist breitentechnisch grob einspurig und sehr kurvig, da wäre Gegenverkehr sehr unangenehm, wenn auch im Setting eines solchen Veranstaltungsortes eher unwahrscheinlich – und zudem innen dubios aufgeteilt mit jeder Menge reservierter Parkplätze für „alles-außer-Wizemann-Besucher“. Ein überwindbares Hindernis und nicht mehr als Randnotiz. Und wenn man es nach Konzertende langsam angehen lässt – beispielsweise indem man noch mit freundlichen Fans quatscht – ist das alles entspannt.

Zum Event selbst. Vorgruppe war Xandria. Symphonic Metal aus Bielefeld mit einer langen und wechselhaften Geschichte, die populärste Episode war vermutlich mit Sängerin Dianne van Giersbergen (und „hatte eine niederländische Sängerin“ ist nicht die einzige Parallele der Bandgeschichte zu Delain). Von Xandria kannte ich vorher keinen einzigen Song. Hinterher auch nicht, und vermutlich wird sich das auch so schnell nicht ändern. Es war nicht schlecht oder so, sondern im Gegenteil durchaus nett anzuhören. Aber eben auch schnell wieder vergessen. Da mein einziger Wunsch bezüglich Vorgruppen ist, mich nicht zu nerven, war ich also recht zufrieden mit dem „Support Act“. Der Rest des Publikums hatte wohl eher einen Bezug zu Xandria und schien zufrieden bis begeistert. Schön!

Dann also Delain. Meine Eintrittskarte, recht früh erworben, kündete noch von der „The Masters of Destiny Tour“, bezugnehmend auf das Album „Apocalypse & Chill“ (genau einmal live performed im Februar 2020, dann kam Corona und dann auch noch der Band-Split) mit dem großartigen aber leider bei diesem Konzert nicht performten Song „Masters of Destiny“. Dann erschien (Release Mitte Februar 2023) aber das neue Album „Dark Waters“, und so wurde daraus die „Dark Waters Tour“.

Die Setlist:

  • The Cold
  • Suckerpunch
  • Burning Bridges
  • Invidia
  • The Quest and the Curse
  • April Rain
  • Underland
  • The Hurricane
  • Beneath (mit Paolo Ribaldini)
  • Queen of Shadow (mit Paolo Ribaldini)
  • Your Body Is a Battleground (mit Paolo Ribaldini)
  • The Gathering (mit Paolo Ribaldini)
  • Don’t Let Go
  • Moth to a Flame
  • Not Enough

Zugaben:

  • Mother Machine
  • Sing To Me (mit Paolo Ribaldini)
  • We Are The Others

Wie man sieht eine bunte Mischung von allen Alben vom Debütalbum bis zum neuesten Release. Logischerweise mit einem Überhang des aktuellen Albums, ein bisserl Album-Promotion ist bei einer Tour ja unvermeidlich.

Wie jede Setlist dieser Welt ist auch diese kritikwürdig – hier ist meine (Achtung – Geschmacksache!): „The Cold“ ist einer der schwächsten Songs auf dem neuen Album, warum ausgerechnet der als Intro taugen soll – keine Ahnung. Entsprechend verhalten reagierte nach meiner Beobachtung das Publikum. Und ob man nun unbedingt „Your Body Is a Battleground“ braucht, ist fast schon keine Geschmackssache mehr. Der Song ist nicht mal in meiner Delain-Top-50.

Aber dieser Tiefpunkt der Setlist ist gleichzeitig der Anknüpfungspunkt für einen der gewichtigsten Gründe, warum ich dieses Konzert unterm Strich für irgendwas zwischen ziemlich gut und sensationell halte. Denn der Song wird im Duett mit Paolo Ribaldini performt, was der Qualität sehr zuträglich ist – wie überhaupt die Duette von Diana und Paolo live sehr gut rüberkommen. Die beiden Stimmen harmonieren ganz wundervoll. Zwei meiner Delain-Favoriten, „The Gathering“ und „Sing To Me“, waren wirklich in dieser Kombination eine absolut großartige Sache. Und „The Gathering“ ist ja ursprünglich ein Duett mit Marko Hietala, und diesem Highlight gerecht zu werden – Respekt. Wie ich anderen Setlisten zu dieser Tour entnehme, wurde bei den Zugaben manchmal „Control The Storm“ gespielt – da bevorzuge ich „Sing To Me“ auf jeden Fall. Glück gehabt.

Ich könnte natürlich eine Menge Lieder aufzählen, die ich gerne zum und beim ersten Mal live gehört hätte. „Tell me, Mechanist“. „Are You Done With Me“. „Get The Devil Out Of Me“. Das schon genannte „Masters Of Destiny“. „We Had Everything“. Aber insgesamt muss man sagen: das hat schon so gepasst. Gute Songauswahl. Sehr überraschend fand ich „Invidia“ in der Setlist. Warum war ich eigentlich überrascht? Ein großartiger Song.

Hervorheben will ich auch die gute Soundqualität (im hinteren Bereich von Konzerthallen oft nicht so prickelnd) und das großartige Publikum, das sichtlich Spaß hatte und enthusiastisch bei der Sache war.

Kommt am Ende jetzt der unvermeidliche Sängerinnenvergleich? Da winde ich mich jetzt mal elegant raus und sage, dass ich (leider!) nie live zugegen war, als Charlotte einen Delain-Song live performt hat und mir deshalb logischerweise gar kein Vergleich möglich ist. Was ich aber mit Sicherheit sagen kann: Diana ist genau wie Charlotte eine großartige Sängerin. Und sie singt sowohl alte als auch neue Delain-Songs absolut überzeugend. Und ich kann ehrlich gesagt nicht nachvollziehen, warum einige Fans der Meinung sind, die Stimmen würden sich übermäßig ähneln – ich finde das ganz und gar nicht.

Jedenfalls kann ich für mich festhalten, dass Delain in der Neubesetzung unbedingt einen Konzertbesuch wert sind. Ich freue mich schon auf das nächste. Delain lebt.