Ziemlich genau drei Monate ist es jetzt schon her – mein zweiter Besuch in Utrecht, zum zweiten Mal für ein Konzert von Charlotte Wessels. Es zeichnet sich ein Muster ab. Jedenfalls habe ich ewig an diesem Text rumgedoktort und ihn liegengelassen und Notizen dazugeschrieben und habe mich irgendwie davor gedrückt, den Text in was publikationsfähiges zu überführen. Vielleicht war es die Sorge, dass ein lieblos hingeklatschtes Geschreibsel dem grandiosen Event nicht so richtig gerecht werden würde, dass das Fehlen einer zündenden Idee, einer interessanten mitteilungswürdigen Beobachtung zum Eindruck eines „bemühten Versuchs“ führen würde. Da ich hier aber zuerst für mich als Gedächtnisstütze schreibe und weniger für die hohe einstellige Zahl an regelmäßigen Lesern, und zudem auch nicht demnächst in die Verlegenheit kommen muss, mit Konzertberichten mein täglich‘ Brot zu verdienen, und das ganze Geblogge eigentlich hauptsächlich Spaß machen soll, habe ich mich nun doch dazu durchgerungen, einige Zeilen zu verfassen.

Auch, bevor ich endgültig die vielen Details vergesse – Zeit, die Erinnerungen und Notizen in ein „Konzert-Review“ zu überführen. Genauer: in einen verlängertes-Utrecht-Wochenende-Bericht mit dem Höhepunkt an einem schönen Freitagabend im TivoliVredenburg in Utrecht, Saal „Pandora“: Charlotte Wessels – The Obsession – Live in concert. Nun ja, „Bericht“ – wenn es um Konzerte von Charlotte geht, neige ich ja eher zu „Huldigung“. Man lese meine beiden Abhandlungen zum „Tales From Six Feet Under“-Konzert von Charlotte in Utrecht 2022.

Dieses Mal entschied ich mich für ein paar extra-Tage in Utrecht, um An- und Abreise etwas entspannter anzugehen. Obwohl diese Entscheidung das Verhältnis – Reisekosten – Übernachtungskosten – Konzertkosten vollends ins Absurde driften ließ, war es eine gute Idee – mit mehr Ruhe lässt es sich einfach besser genießen und auch mehr Platz für Aktivitäten drumrum. Vom Eivør-Konzert einen Tag zuvor hatte ich ja schon berichtet, dazu kamen ein paar Zusammentreffen mit anderen Patrons, die ich teilweise noch von Utrecht 2022 kannte – im kleineren (Pancakes bei Anna Pancakes, Burger bei Meneer Smakers) oder größeren (Hangover Hangout Vol. II im Gys) Rahmen.

Ich beginne mit der Erzählung mal mit der Mittagszusammenkunft bei Anna Pancakes in der Utrechter Innenstadt. Ein sehr entspanntes Zusammentreffen mit alten und neuen Bekannten aus dem Patreon-Kreis. Da ich „aus Gründen“ mehr das Pikante denn das Süße bevorzuge, entschied ich mich neben dem obligatorischen Earl Gray für einen Pancake namens „Morning Shizzle“ mit zusätzlich etwas Räucherlachs, was geschmacklich ein absoluter Volltreffer war, und zudem kunstvoll angerichtet. Kein Wunder, dass einige Patrons noch von ihrem Zusammentreffen damals 2022 schwärmten und deshalb für 2024 die Wiederholung ansetzten. Zudem erfolgte hier die konspirative Übergabe der neuesten NSFW-T-Shirt-Kreation mit dem kaum missverständlichen „Pien is rising“-Aufdruck – jedenfalls für Charlotte-Kenner, die mit „Venus Rising“ was anfangen können und die Ziege namens Pien kennen sowie das Misheard-Lyrics-Projekt, das in einem sehr lustigen Video für Charlotte endete. Wer allerdings (wie ich) mit diesem T-Shirt durch die Innenstadt von Utrecht läuft, kommt nicht umhin zu bemerken, dass der Schriftzug durchaus für hochgezogene Augenbrauen bei den Uneingeweihten (also: fast allen) sorgen kann. Ein sowohl merkwürdiges als auch amüsantes Gefühl.

Und dann wurde es auch schon Zeit, sich langsam fürs Konzert anzustellen. In 2022 war das Konzert noch im deutlich größeren Saal „Ronda“ im TivoliVredenburg, der damals nicht ganz voll wurde. Diesmal eine Nummer kleiner im Saal „Pandora“, der restlos ausverkauft war – das dürften rund 700 Besucher gewesen sein. Der Saal befindet sich im siebten Stock des TivoliVredenburg und ist über eine wilde Abfolge von Rolltreppen zu erreichen – was auf dem Hinweg sehr einfach und geradeaus und es-gibt-nur-einen-Weg-nach-oben wirkte, zum Rückweg dann später mehr.

Diesmal machte ich keinen Stop beim Merchandise – es sah sehr voll aus, und ich fühlte mich T-Shirt-mäßig schon sehr gut ausgestattet. Also direkt in den Saal, eine gemütliche Ecke direkt vor dem Mischpult für die optimale Übersicht über das Geschehen ausgesucht. Als Support Act war „Faunea“ angekündigt, ich hatte vorab recherchiert und auch schon vorsichtige Skepsis geäußert vor allem ob des mancherorts gezogenen Vergleichs mit Bjork. Es stellte sich dann aber im Setup „Frau mit akustischer Gitarre“ (im Gegensatz zu den sehr elektronischen synthilastigen Studioversionen) als sehr gut hörbar und vor allem gesanglich hochklassig heraus. Musikalisch nicht mein Ding, aber auch nicht nervig. Und was könnte man mehr von einem Support Act erwarten. Auch soundtechnisch gut abgemischt, was die Vorfreude noch steigerte.

Und so begann nach einem kleinen Intro endlich das Hauptereignis mit dem Opener „Chasing Sunsets“ (keine separate Setlist in diesem Artikel, die gibt es ja zum Nachlesen bei Setlist.fm), eines meiner Lieblingsstücke vom neuen Album „The Obsession“, das auch dem Konzert seinen Namen gab. Und auch live bleibt festzustellen: mit „The Obsession“ haben Charlotte und Band das Kunststück vollbracht, das bisher noch keiner geschafft hat: ein Album voll mit überarbeiteten Versionen von Songs, die ich in ihrer früheren Patreon-Song-Of-The-Month-Inkarnation schon sehr mochte, aber in der Neufassung noch viel besser finde. Üblicherweise, wenn ich mich mal an eine Fassung eines Songs gewöhnt habe, bleibt das für immer meine bevorzugte Version. Nicht so bei den „The Obsession“-Versionen, die ich allesamt besser finde als ihre Urfassungen. Und „Chasing Sunsets“ macht da keine Ausnahme. Der Song ist deutlich härter und metalliger geworden, und – um einen ehemaligen Bürgermeister von Berlin zu zitieren – das ist auch gut so.

Bei „Chasing Sunsets“ schien es einige Probleme mit dem Mikrofon von Charlotte zu geben, man fühlte sich soundtechnisch ganz kurz an die legendären Crowdcast-Audioprobleme bei den Hangouts erinnert, aber wenn ich das von hinten richtig beobachten konnte, war nach einem Mikrotausch alles wieder in Ordnung.

„Dopamine“ folgte, auf dem Album bekanntlich ein Duett mit der großartigen Simone Simons von Epica – die Simone-Fans mögen es mir verzeihen, aber der Song ist live mit Charlotte-Solo-Gesang genauso gut.

Dann wurde die Mischung etwas bunter – Afkicken vom TF6FU Vol.I und Pity Party, SotM #50 vom Mai 2024, bisher auf keinem Album aufgetaucht. Nicht mein Song-Favorit, aber in der Live-Version definitiv der 6FU-Studio-Version vorzuziehen. Mit „Toxic“, „Cry Little Sister“, „Human To Ruin“ und „Superhuman“ kamen dann vier Klassiker aus der TF6FU-Zeit zur Aufführung, bevor mit „Soulstice“ wieder zum aktuellen Album umgeschwenkt wurde. Obwohl die Songs definitiv – Vorsicht, große Worte – aus unterschiedlichen Äras stammen, wirkte der „Song Flow“ im Live-Setting ganz natürlich und harmonisch. Erstaunlich.

Mit „Ode To The West Wind“, eine der Single-Auskopplungen von „The Obsession“ und im Original ein Duett mit Alissa White-Gluz, kam auch (endlich!) Eli mit dem Cello zum Einsatz. Die „harsh vocals“ übernahm wie üblich Otto, der die Aufgabe routiniert erledigte. Und genau wie bei „Dopamine“ fand ich, dass Charlotte diesen Song auch solo überzeugend darbrachte. Und dass Charlotte auch in Hinsicht auf „harsh vocals“ Fortschritte gemacht hat, bewies sie dann bei „The Excorcism“. Sie war voll im Flow und growlte die entsprechenden Passagen mit einer Inbrunst – Respekt. Sie hatte in der Vergangenheit immer wieder betont, dass sie da bei den Growls noch etwas mehr üben muss und immer noch etwas Sorge hat, dass es ihre Stimme möglicherweise zu stark belastet. Vielleicht war deshalb auf der Setlist danach „Combustion“ (ein Instrumental-Stück aus Delain-Zeiten, bei dem die vier Musiker wirklich alle ihr Können unter Beweis stellen dürfen) angesetzt, damit sich die Stimme für 5 Minuten erholen konnte, nur für den Fall der Fälle? Kann ich mir bei Charlotte als akribische Planerin durchaus vorstellen.

Für den nächsten Song, „Praise“, kam dann gesangliche Unterstützung auf die Bühne: zwei Sängerinnen und ein Sänger übernahmen den Vocal-Part des Gospel-Chors, der für die Studio-Version von „The Obsession“ den Gesang geliefert hat. Ich sage mit Absicht nicht „Background-Gesang“, denn das wäre untertrieben. Das Wechselspiel zwischen Chor und Charlotte bei den Vocals gelang auch im Live-Setting ausgezeichnet. Und man könnte sagen, es bereitete den Boden für das erneut wundervolle „All You Are“, bekanntlich eines der eher softeren Lieder aus dem Werk der Charlotte Wessels.

Es folgte „Vigor and Valor“ – oder doch „Vigor & Valor“ (Original-Titel SotM) oder etwa (wie auf dem Album-Cover) „Vigor + Valor“? Jedenfalls ist dieser Song einer meiner Favoriten, schon als Song of the Month, aber noch mehr in der Album-Version von „The Obsession“. Eine runde Sache inklusive des „Breathe;“-Outros.

Hatte ich vorher von der akribischen Planerin Charlotte Wessels geschrieben, so verkörpert der dann folgende Song „Backup Plan“ dieses Mindset perfekt – zumindest dem Titel nach. Und es ist auch der Moment, um mal das Bühnenbild anzusprechen – zwei riesige Kronleuchter thronten über der Bühne und verbreiteten irgendwie ein heimeliges Gefühl. Ein paar Wochen nach dem Konzert las ich von einem Stromausfall mitten in einem Rock-Konzert, und musste sofort an die Kronleuchter denken: hatte Charlotte womöglich ein paar Kerzen in petto, als ultimativen „Backup Plan“ für den Fall der Fälle?

Vor den Zugaben dann ein kurzes Überstreifen des passenden T-Shirts mit der Aufschrift „I ❤ Crying“, denn „The Crying Room“ stand an. Charlotte verarbeitet in diesem Stück ihre Ängste, unter anderem davor, auf der Bühne vor vielen Menschen zu stehen, und ich vermute, sie hat mit dem T-Shirt eine Art Bewältigungsritual etabliert, um dem ganzen Problemkomplex eine heitere Seite abzugewinnen. Nebenbei: auf der anschließenden Support-Tour mit Vola schaffte es eine leicht „vergothte“ (schwarzes Herz!) Variante des Shirts mit dem bekannt schlecht leserlichen Font, der auch das The Obsession-Cover ziert, ins Merchandise-Programm, und Charlottes Ansage nach Übertreifen des Shirts fügt inzwischen auch den willkommenen kapitalistischen Effekt dieser ganzen Aktion mit einem Augenzwinkern hinzu. In Patron-Kreisen ist das T-Shirt absolut zum Kult avanciert. Jenseit von all diesem „Gedöns“ soll aber nicht davon abgelenkt werden, dass „The Crying Room“ insbesondere in der Album-Version ein wirklich wunderschöner Song ist. Auch und besonders live. Quasi „zum Heulen schön“.

Und schon sind wir bei den Zugaben, bevor das Konzert dann nach gut zwei Stunden endete. „Against All Odds“ in der bekannten „Unplugged“-Fassung mit Otto, Timo und Charlotte, die aber letztlich auch die Original-Fassung von TF6FU Vol. II ist. „Reduce To The Max“ war mal ein Werbespruch unter anderem für einen Kleinstwagen im Premiumpreissegment von einem Hersteller, den ich ungenannt lassen will. Aber das Motto trifft hier zu, die Trio-Besetzung und genauso viel oder wenig, wie dieser Song braucht. Und fürs Publikum ein Moment zum Verschnaufen und sich an die gute alte Zeit zu erinnern, als man noch Feuerzeuge bei Konzerten schwenkte. Wer bei „The Crying Room“ noch keine feuchten Augen hatte, war spätestens jetzt in Gefahr.

Es folgte „Serpentine“, als SotM #35 noch „The Butterfly Effect“ genannt. Ein Song mit einer ganz bezaubernden Piano-Verzierung, die vermutlich jeder, der das Lied schon kannte, im Geiste schon antizipierte. Und ein weiterer Song in der Liste derjenigen, die von der Band-Überarbeitung für die Album-Version extrem profitierte: das Timo-Somers-Gitarrensolo ist jedenfalls phantastisch. Da wippt der Kopf, und das Herz geht auf.

Oft redet man vom „krönenden Abschluss“, und selten ist es so gerechtfertigt wie hier, denn der letzte Song war „Soft Revolution“, natürlich in der 2024er Album-Version. Auch hier ist natürlich das phantastische Timo-Solo zu nennen, aber generell ist der Song ein Meisterwerk und nach wie vor mein Liebling im an Highlights nicht armen Wesselschen Werk. Und in dieser speziellen Version kam noch die Unterstützung vom Chor hinzu, nochmal ein zusätzliches gewisses Etwas. Hatte ich vorher noch von „Reduce To The Max“ geschrieben, lief das eher unter „More is More is Better“. Das Publikum jedenfalls war der gleichen Ansicht und belohnte die gesamte Performance mit dem wohlverdienten langanhaltenden Applaus.

Nach dem Konzert habe ich auch die Chance genutzt, mit ein paar alten Bekannten von vor zwei Jahren ein paar Worte zu wechseln. Es tut immer wieder gut, die wunderbaren Eindrücke eines solchen Ereignisses direkt mit Gleichgesinnten zu teilen. Auch der Community-Aspekt ist durchaus Teil der Charlotte-Magie. Weniger magisch, sondern eher verstörend, war dann mein Tagesabschlussversuch, aus dem siebten Stock des TivoliVredenburg-Labyrinths wieder ins Freie zu gelangen. Nicht weniger als drei Mitarbeiter (oder waren es nur zufällig herumstehende unbeteiligte Besucher?) musste ich fragen, um die richtigen Rolltreppen nach unten zu erwischen. Wo sind die hilfreichen Hinweisschilder wenn man sie mal braucht. Jedenfalls beeindruckend, was auf jeder Ebene dieses Gebäudekomplexes so alles abgeht zu später Stunde. Sogar an einer Tischtennisplatte bin ich auf meiner Kurzodyssee vorbeigekommen.

Noch ein paar beiläufige Anmerkungen zum Abschluss – in Anbetracht des Gesamterlebnisses so unbedeutend wie unspektakulär. Wie immer muss ich die „Bühnenatmosphäre“ loben. Es fühlt sich immer an wie wenn gute Freunde zusammen Musik machen. Die Atmosphäre wirkt so liebevoll und gleichzeitig entspannt und humorvoll. Voller Freude und auch gegenseitigem Respekt und Zuneigung. Besonders das „Trio“ bei Against All Odds bestehend aus Otto, Timo und Charlotte unterstrich das nochmal.

Irgendwie ist mir auch das Detail unter dem Arbeitstitel „Der Kampf gegen die Luftschlangen“ im Gedächtnis geblieben. Ich habe keine Ahnung wie die Dinger im Event-Fachjargon heißen, es scheinen die Nachfolger von Konfetti-Kanonen zu sein: es werden lange Papierbänder, eben Luftschlangen, aus der Höhe der Bühne im Bogen Richtung Publikum abgeschossen. Das hat neben dem „Aha-Effekt“ dank Flugbahn und Mehrfarbigkeit auch potenziell unerwünschte aber interessante Auswirkungen: einige landen auf der Bühne, was den unverzichtbaren Beardboy zu einem Kurzeinsatz mit dem Besen veranlasste. Und einige bleiben im Hallendeckengerippe und den Scheinwerfern hängen, was sowohl für Publikum als auch Künstler teils zu leichten Irritationen und zu mückenverscheuchartigen hektischen Bewegungen führte. In den diversen Videos auf YouTube vom Konzert kann man einige dieser Luftschlangen da unmotiviert im Bild rumhängen sehen.

Das nächste Konzertereignis dieser Art wird die derzeit für 2025 einzige „Headliner-Show“ im Bibelot in Dordrecht am 2025-02-21 . See you there!

Und damit endet dieser Bericht. Vielleicht schreibe ich noch ein einen Folgeartikel zum „Hangover Day“ am nächsten Tag inklusive „Hangover Hangout“, denn dieser Artikel hier ist schon wieder viel zu lang geworden. Man stelle sich vor, ich hätte den direkt nach dem Konzert verfasst, als ich noch nicht die Hälfte vergessen hatte – nicht auszudenken, das hätte ja kein Schwein gelesen. Gruß an alle, die bis hierher durchgehalten haben.

Noch ein spezieller Service für Charlotte-Patrons: hier der Link zum „The Obsession Release show photoblog“, um mit Hilfe einiger sehr schöner Fotos (auch zur Illustration „Profis machen echt viel bessere Fotos“ geeignet) in Erinnerungen an dieses Konzertereignis zu schwelgen.

Nach dem sanften Aufgalopp gestern bei der unvergleichlichen Eivør bin ich jetzt voller Vorfreude auf das eigentliche Highlight des verlängerten Wochenendes: Charlotte Wessels: The Obsession Live in concert. Utrecht, TivoliVredenburg, 19.45h geht es los. Diesmal im „Pandora“-Saal, ausverkauft, es sind also etwa 600 Zuschauer/-hörer zu erwarten. Das ist ungefähr so das Limit, bei dem ich Konzerte noch genießen kann, je größer es dann wird desto schwieriger.

Support Act ist Faunea. Nie gehört. Offenbar eine Dänin mit peruanischen Wurzeln. Die Songs „Dark electronic vibe“ und die Stimme „a delightful combination of lightly intimate yet surprisingly powerful and dark.“. Wird ab und zu mit Björk verglichen, was wir in Anbetracht der Gefahr einer Schmälerung der Vorfreude gleich wieder vergessen. Aber bei allen Vorgruppen gilt es, vorurteilsfrei zuzuhören, und die letzten Jahre wurde ich deutlich seltener enttäuscht und/oder genervt als die Jahrzehnte davor. Wird schon passen.

Zurück zur Charlotte-Vorfreude. Der letzte Vorfreudebericht war ja noch vor dem Album-Release – da gab es zwar schon vier der fünf vorab veröffentlichten Singles (sind es eigentlich noch Singles, wenn es weder CD-Singles noch Vinyl-Singles davon gibt?), die deutlich die Richtung anzeigten, aber man ist sich ja nie ganz sicher. Jetzt kann ich aber eins sagen: das komplette Album ist ein absoluter Volltreffer, insbesondere Vigor & Valor sowie Soft Revolution sind in der „Band-Fassung“ nicht weniger als sensationell. Ja, das konnte die Vorfreude noch um einiges steigern.

Auch das „Eingrooven“ bei Anna Pancakes mit ein paar anderen „fellow masterpieces“ war wunderbar. Jetzt aber noch kurz etwas entspannen, bevor dann das Konzert losgeht. The Hype Is Real.

Zwei Dinge stehen demnächst an, auf die ich mich wie ein Schneekönig freue (da fällt mir ein, dass ich die Herkunft dieses Sprichworts gar nicht kenne…wie freut sich ein Schneekönig…und was ist das überhaupt, ein Schneekönig?): Release des neuen Charlotte-Wessels-Albums „The Obsession“ am 20. September, und die „Release Show“ in Utrecht im TivoliVredenburg am 4. Oktober. Fast zwei Jahre nach der legendären „Double Release Show“ namens Tales From 6 Feet Under, die mir damals zwei Blogeinträge wert war.

Als Patron der schönen Künste kenne ich die Lieder der Tracklist des neuen Albums natürlich schon, aber eben „nur“ die initialen Patreon-Versionen und nicht die finalen, mit der ganzen Band erarbeiteten und aufgenommenen Versionen die auf dem Album sein werden. Und die inzwischen vier releasten Songs – The Exorcism, Chasing Sunsets, Dopamine und The Crying Room – lassen mich da ein Muster erkennen. Nämlich, dass ich die neuen Band-Versionen fürs Album sooooooo gut finde. Was einigermaßen ungewöhnlich ist, denn in der Regel bin ich bei Songs die ich gut finde sehr stark auf die initiale, liebgewonnene Version geprägt. Aber bei der Ausnahmekünstlerin gibt es dann wohl die Ausnahme von der Regel.

Und jetzt hat ein Album-Vorab-Reviewer auch noch ein weiteres Vorfreude-Fass aufgemacht und in den höchsten Tönen die neue Version von „Soft Revolution“, meinem absoluten Lieblingssong und auf dem neuen Album der finale Track, gelobt. Wer hat da nicht sofort die Assoziation „krönender Abschluss“. Und bekanntlich ist ja auch noch einer meiner Lieblingssongs, Vigor & Valor, auf dem neuen Album vertreten. The suspense is killing me. Und nein, Vorfreude ist nicht die schönste Freude. Wenn ich zum Konzert nach Utrecht fahre, auf dem Weg dorthin das neue Album auf Repeat hören werde – DAS wird die schönste Freude sein. Dann das Konzert, der voraussichtlich allerschönsten Freude.

Aber bis dahin…freue ich mich eben an der Vorfreude.

Von höchst Erfreulichem soll hier die Rede sein. Seit Mitte 2022 verfolge ich nun das rege Treiben der wunderbaren Sängerin (und Songwriterin und Entertainerin) Charlotte Wessels. Wegen Ihr (bzw. Ihrer Konzerte) bin ich drei Mal in die Niederlande gefahren, habe interessante und liebenswerte Menschen kennengelernt, und habe in der Nach-Corona-Zeit wieder Spaß an Rock-Konzert-Besuchen gefunden.

Charlotte hat den Januar 2024 zum „Patreon Relaunch Month“ ausgerufen und ihrer Patreon-Präsenz eine Frischzellenkur verpasst. Wer die Historie nicht kennt: anno 2020 am 13. Mai ins Leben gerufen, sollte das eine Art „Nebenprojekt“ sein, mit der Idee, den ganzen Haufen Songs, den Songwriter so produzieren, jeden Monat einem würdigen Release für die zahlende Kundschaft (aka „Patrons“) zuzuführen. Dann war klar: Corona dauert länger, und schließlich hat sich dann auch noch Delain Anfang 2021 getrennt/aufgelöst/neu formiert (je nachdem welchem Narrativ man folgen will). Damit änderte sich der Zweck der Patreon-Präsenz natürlich grundlegend: von einem lustigen kleinen Nebenprojekt zum Hauptbroterwerb einer jetzt auf Solo-Pfaden wandelnden Künstlerin. Aber eines blieb konstant: der Output von einem neuen Song pro Monat (inzwischen 46 an der Zahl – Stand 13. Januar 2024). Sogar noch mit ein paar Bonussongs zwischendrin. Zwei Alben wurden released, dann der erste unvergessliche Live-Auftritt im Oktober 2022 in Utrecht, gefolgt von vier Konzerten im Rahmen der „Dutch Clubtour“.

Und jetzt die Arbeiten zusammen mit der Band (noch namenlos – man arbeitet dran) am neuen Album. Im Gegensatz zu den beiden „Tales From Six Feet Under“-Alben zuvor, die in weitgehender Isolation (nämlich in eben jenem heimischen „Six Feet Under Studio“) mit Cubase und allerlei Plugins entstanden sind und mehr Compilations gleichen (nämlich die Sammlung der Patreon Songs Of The Month), soll es jetzt die eher klassische Herangehensweise sein: Songs aus einem Guss, viel Arbeit an ausgefeilten Arrangements, echte Musiker im Studio, die alle ihren Input liefern. Alles in allem ein neues Kapitel in der Solokarriere der Charlotte Wessels. Wenn das kein Grund ist, den Stand der Dinge mal anzuschauen. Zu „reviewen“ wie es heutzutage so schön heißt. Und so durften wir Patrons einen ausgefuchsten Fragebogen beantworten und unseren Input liefern: warum wir welchen Unterstützerlevel gewählt haben, was coole neue Benefits wären, welche Benefits wir bisher toll fanden und welche eher verzichtbar sind.

Das alles mündete dann Anfang Januar 2024 im „Relaunch“. Und was soll ich sagen: ich empfinde die überarbeitete Version als vollen Erfolg. Bewährtes beibehalten, Neues einführen. Mit Bedacht, aber auch mit Mut. Mit der Möglichkeit, nun jährlich im Voraus die Mitgliedschaft zu zahlen, im Austausch für 10% Rabatt und dem Extra-Bonus, das neue Album frisch zum Release kostenlos dazuzubekommen. Aber lest selbst. Besonders der rege Informationsfluss zum neuen Album, von der Live-Reportage aus dem Studio bis zu Details der Song-Produktion erfreut mich sehr.

Also: jetzt Patron werden. Geht auch im neuen „Free Tier“, wo man per Patreon-Blog-Posts auf dem Laufenden gehalten wird, aber natürlich nicht Zugriff auf die exklusiven Inhalte bekommt. Aber schon für 3€ pro Monat (zzgl. MwSt. natürlich) gibt es Zugriff auf den „Song Of The Month“ – und alle bisher releasten Songs ebenfalls. Wenn jemals „Value For Money“ das passende Schlagwort war – hier trifft es absolut zu. Wer noch nicht überzeugt ist: gerade wurde zum „Relaunch Month“ das großartige Duett mit Alissa White-Gluz namens Fool’s Parade für alle veröffentlicht, ein „Song Of The Month“ von Oktober 2022.

Genug geschwärmt. Den Blog-Post-Titel könnte man als Zitat des Untertitels des zweiten, eher unerfreulichen Teil der Matrix-Filmreihe verstehen. Aber das, was Charlotte hier macht, passt eigentlich eher zum dritten Teil. Eine – zumindest kleine – Revolution. Oder besser: A Soft Revolution (trotz monatlich größer werdender Konkurrenz immer noch mein Lieblingssong).

Dieses Konzert-Review ist einer besonderen Person gewidmet, die leider nicht zum Konzert kommen konnte.

Aller guten Dinge sind drei. Alter Spruch. Zeit, ihn mit Leben zu füllen: nach Utrecht (Oktober 2022, TivoliVredenburg) und Weert (April 2023, De Bosuil) nun der würdige Abschluss der „Tales From Six Feet Under – Live In Concert – Dutch Clubtour“ im MEZZ in Breda.

Hinfahrt war zäh – Anreise am Freitag schien eine gute Idee, um einen Tag Entspannung vor dem Konzert zu haben. Aber spätnachmittags durch die Niederlande war der Verkehr eher suboptimal. 8h30min stand am Ende für 560km. „Zäh“ scheint da ein angemessener Begriff.

Ich überspringe mal das Drumrum vom Hotel über den Fußmarsch durch Etten-Leur mit Enten- und Gänse-Beobachtung bis zum Sightseeing in Breda (aufgeschoben ist nicht aufgehoben, es gibt noch ein paar sehr holländische Erkenntnisse zu verbloggen) und komme direkt zum Hauptteil: das Review.

Special Guest aka Support-Act aka Vorgruppe war wieder Blackbriar. Diesmal war der Bassist mit dabei. Lag es daran, dass ich die Musik diesmal noch besser fand als in Weert? Und was ist das geeignete Wort für Zoras Gesang? „Enchanting“ würde der Engländer wohl sagen. Bezaubernd. Verzaubernd. Ich wähne mich schon auf dem Weg zum Fan. Auch schön zu sehen, wie zahlreich die Blackbriar-Fans wieder am Start waren. Nur die Sache mit der „Dutch Clubtour“ hat Blackbriar nicht so verinnerlicht, mir war es recht: Sprache der Wahl zwischen den Songs war Englisch.

Der Anfang von Blackbriar war für mich 20s „Gehirn-Stürm“, um auch mal die Ärzte zu zitieren. „Wow, die Bühne sieht viel kleiner aus als im De Bosuil. Oh, warum ist die Abmischung so schlecht? Man hört Zoras wundervolle Stimme kaum. Moment, warum stehen da drei Jungs mit Gitarren, das waren doch nur zwei in Weert? Stimmt, da hat fürs klassische Lineup 2x Gitarre 1x Bass ja einer gefehlt, warum fällt mir das jetzt erst auf? Kein Wunder, einer mehr, der sich auch noch unglaublich viel bewegt, klar sieht die Bühne dann kleiner aus!“ Dann hat der Mensch am Mischpult die Regler geregelt, Zoras Stimme angemessen im Mix platziert, und ich habe mich den Rest der Performance darauf beschränkt, einfach nur zu genießen ohne weiter über unwichtige und ablenkende Details nachzudenken.

Amüsanter Vorfall zwischendurch bei einer von Zoras Ansagen: „The next song is…I don’t know (geht breit lächelnd kurz nach hinten, um auf die Setlist zu schauen)“. Ich erspare mir und den geneigten Lesern (spürt Ihr den Optimismus? Plural! „Den Lesern“!) hier das naheliegende Wortspiel mit „Blackout“. Ooops, doch nicht. Jedenfalls kam es mir fast so vor, dass dieses Nicht-Ereignis ein wenig den Ton für den ganzen Abend setzte: entspannte Wohlfühl-Atmosphäre, wie man es sich zum Tour-Abschluss wünscht. Nicht so zu verstehen, dass es an Spannung und Drive gemangelt hätte, ganz im Gegenteil – aber es war so eine Unverkrampftheit, so ein Verzicht auf den allerletzten Perfektionismus, ein guter „Flow“. Bonuspunkte für Zora für das Weglassen der seltsamen geweihartigen Kopfbedeckung, die mich in Weert irgendwie…irritiert hat.

Trotz der qualitativ hochwertigen Vorgruppe – man kommt ja irgendwie doch für den Haupt-Act. Kurz nach 21.30h war es dann soweit: Charlotte und Band betraten die Bühne. Zuvor gab es eine Animation auf dem großen Schirm aka „das große runde Ding in der Mitte“ der Charlotte-Figur aus dem Superhuman-Video, die langsam größer wurde und so ein Näherkommen des Ereignisses symbolisierte. Es sind halt die liebevollen Details, die den geneigten Zuschauer faszinieren, und wenn ich mich recht erinnere, war es auch neu gegenüber dem Weert-Konzert. Also nicht nur liebevolle Details, sondern auch liebevolle Detailoptimierung während die Tour läuft.

Wie immer vorab mal die Setlist zur Orientierung (nach meiner Erinnerung…Fehler und Unvollständigkeiten nicht ausgeschlossen):

  • Ouverture (mit Claire)
  • Human To Ruin
  • Superhuman
  • Afkicken
  • The Phantom Touch
  • Venus Rising
  • Source Of The Flame
  • Cry Little Sister
  • Good Dog
  • Toxic (harsh vocals von George)
  • Mary On A Cross (Ghost-Cover, Duett mit Zora Cock von Blackbriar, und Eli am Cello)
  • I Forget (mit Eli am Cello)
  • Victor (mit Eli am Cello, und mit Claire)
  • A Million Lives
  • FSU (2020)
  • Combustion
  • The Final Roadtrip (mit Eli am Cello)
  • Soft Revolution

Zugaben:

  • Against All Odds
  • All You Are

Outro:

  • Utopia

Der Kenner entdeckt kleine Abweichungen zur Weert-Setlist. The Phantom Touch ist nach vorne gerutscht, und das Duett mit Aafke Romeijn („Alles wat ik wil“) wurde wie angekündigt ersetzt durch das Duett mit Zora („Mary On A Cross“, eine Coverversion des Ghost-Originals – Studio oder live). Damit bleibt nun für Aafke nach meiner Meinung nur noch der ehrenwerte dritte Platz in der ewigen Live-Duett-mit-Charlotte-Rangliste, denn Charlotte mit Zora…das ist schon ganz großes Kino. Und noch eine kleine Anmerkung: es herrschte hier für diesen einen Song ein Musikerinnenübergewicht auf der Bühne. Sophia, Eli, Zora und Charlotte stellten auf 4:3. Ich bin mir sicher, das war ein wichtiger Punkt in der Wessels-Bucket-List.

Aber beginnen wir am Anfang. Geschäftssprache war wieder holländisch, wie es sich für eine „Dutch Clubtour“ gehört. Charlotte empfahl charmant den nicht im Holländischen Bewanderten die Verpflichtung eines persönlichen Dolmetschers aus dem Publikum, was in meinem Umfeld nicht zu durchschlagendem Erfolg führte (aber dankenswerter Weise konnten hinterher im Discord wichtige Details geklärt werden – danke an alle Beteiligten!). „Claire“, für die Uneingeweihten, ist Charlottes Klarinette. An der Musikhochschule hat sie das Spielen der Klarinette perfektioniert und hat schon scherzhaft bemerkt, dass das für eine Sängerin ein eher ungünstiges Instrument ist. Aber sie baut wann immer es geht die gute Claire in Performances ein. „Eli“ hingegen ist eine echte Person, Elianne Anemaat, die mit ihrem Cello einigen der Songs den ganz besonderen Zauber verleiht. Auch dem Duett.

Das neu gebildete Song-Duo „Afkicken“ mit „The Phantom Touch“ brachte nach „Superhuman“ Tempo und etwas Härte in die Geschichte – meines Erachtens eine gute Umstellung in der Setlist. Überhaupt „Afkicken“ – neben mir sagte jemand „That’s the Dutch song“ – der wächst mir auch dank des Tänzerinneneinsatzes immer mehr ans Herz in der Live-Version. Und ich hatte das Gefühl, dass Charlotte spätestens ab hier im „FSU-Modus“ war und noch mehr Power in die Songs legte als gewohnt. „Venus Rising“ hat mir auch wieder sehr gut gefallen. Die Ansage zu „Good Dog“ schien für den holländischsprachigen Teil des Publikums sehr erheiternd, wenn ich es richtig verstanden habe kam auch die neue Patron-Tradition des „Meows“ zur Sprache. Und bei „Toxic“ dann der großartige Einsatz von George für die harsh vocals. Nebst Tanzeinlage. Dann „Mary On A Cross“ mit Zora im Duett – oben schon angesprochen, aber eine Wiederholung wert. Die beiden Stimmen harmonieren so phantastisch, das Song-Arrangement passt so perfekt – man (also ich!) ist vergeblich auf der Suche nach weiteren Adjektiven, die der Schönheit der Sache gerecht werden.

Wenn dann Otto schon vor den Zugaben den Kittel auszieht und im roten Shirt weiterrockt, weiß man, dass es langsam ernst wird und aber gleichzeitig leider auch schon dem Ende eines wundervollen Abends zugeht.

„FSU“ war wieder ein echtes Highlight. Charlotte war absolut im „wir reißen jetzt die Hütte ab“-Modus und legte eine Performance hin…wow. Auch wenn – Kritik auf sehr hohem Niveau, aber da kommt der Bruddler wieder in mir durch – vielleicht an der einen oder anderen Stelle hier die Power auf Kosten der letzten gesanglichen Präzision geht.

Von „Combustion“ habe ich im Delain-Kontext nie Notiz genommen. Aber was Timo und Joey da zusammen mit Otto abreißen ist schon allererste Güte. Und nur ein kurzer Zwischenstopp zum Auftakt zum Finale namens „The Final Roadtrip“, der in der Live-Version angenehm rockig rüberkommt.

Den Abschluss vor der Zugabe bildet – kann man nach fünf Konzerten schon „traditionell“ sagen? – „Soft Revolution“. Diesen Song habe ich schon ausgiebig gelobt und ich halte ihn für ein Meisterwerk. Aber die Live-Performance ist etwas sehr besonderes: zum Ende gibt es die dreistimmige Charlotte über die Loopstation, und dann spielt Timo allein mit der Gitarre weiter – einer der zahlreichen Gänsehautmomente. Und danach dann „Against All Odds“ in der Akustik-Trio-Formation, das ruhige Stück vor dem Finale mit „All You Are“ mit einem weiteren Versuch, der Publikumsmeute Gesang zu entlocken. Es würde mich wirklich interessieren, wie sich das auf der Bühne anhört…von meiner Position aus klang es – wie soll ich es optimistisch formulieren – nicht so besonders überzeugend.

Und dann war es auch schon wieder vorbei. Zwei Stunden Musik und Show können verdammt schnell rum sein, so wie es bei allen grandiosen Dingen eben ist. Die Zeit verfliegt. Und man wünscht sich eine professionelle Videoaufzeichnung, um den Moment immer wieder erleben zu können. So bleibt es leider bei den bekannten Unzulänglichkeiten des eigenen Erinnerungsvermögens. Möge dieses Review dabei helfen, die Erinnerungen wachzuhalten.

Charlottes Konzertendeansprache war sehr emotional, so ein letztes Konzert einer Tour ist eben etwas besonderes. Jetzt geht es wieder ins Studio, neues Album steht an, und ich bin schon gespannt wann ich das genießen darf. Und ich bin sicher, alle bei diesem Konzert Anwesenden werden auch die dann hoffentlich folgende Tour wieder besuchen, wenn es sich irgendwie einrichten lässt. Charlotte hat schon mehrfach anklingen lassen, dass sie nun ein „klassisches“ Album machen will, eine lange Writing Session mit Song-Flow aus einem Guss. Ich bin ja klassischer Album-Höhrer und Traditionalist, aber ich konnte bei den Tales From Six Feet Under-Alben da keine Mängel feststellen im Song-To-Song-Flow, das hat alles super zusammen gepasst nach meinem Gefühl. Interessant wird sein, inwiefern bestehende Songs Of The Month in überarbeiteter Form dann auf dem neuen Album erscheinen. Was könnte man bei „Chasing Sunsets“ oder „The Butterfly Effect“ oder „Vigor & Valor“ oder „Fool’s Parade“ noch verbessern? Keine Ahnung, für mich klingen die schon perfekt. Deshalb ist es ja so spannend. Wobei natürlich „Instrumente von echten Musikern einspielen statt Cubase-Instrumentenplugins verwenden“ Verbesserungspotenzial verspricht.

Auch diesmal gab es die nachkonzertlichen Ohrwürmer, die mir Charlotte eingepflanzt hat – „Victor“ und „A Million Lives“. Vor mich hingesummt auf dem ganzen Weg zum Hotel. Warum sind das eigentlich immer andere Songs? Weil die Liste der potenziellen Ohrwürmer eben sehr viele Einträge hat. Das ist für mich auch Teil der Charlotte-Magie.

Harter Themenwechsel. Rückfahrt war super. Sonnig, trocken, 6h15 (mit Pausen). Ich betrachte die Autobahn als rehabilitiert. Zumindest am Sonntag. Der Haken: 5h30 reine Fahrzeit ist zu lang für die „Charlotte Wessels Songs of the Month“-Playlist – selbst wenn man „Chasing Sunsets“ noch ein paar mal wiederholen lässt. 2h39min ist derzeit die Playlist lang mit allen 38 Songs of the Month. Rund 3h fehlen also noch, macht also satte 45 klassische 4min-Songs. Way to go, Charlotte! Alternativ wäre natürlich ein Konzert in der Nähe eine im wahrsten Sinne des Wortes naheliegende Lösung für dieses Dilemma. Andere mögliche Lösungswege wie epische Progrock-Songlängen…ich will niemand auf schlechte Ideen bringen.

Daheim angekommen, aus dem Auto ausgestiegen, und zwei völlig andere Songs waren in meinem Kopf: „Wees Liever Boos“ (einer der „Lost Songs Of The Month“ der wohl nie live gespielt werden wird – wann hätte der besser gepasst als bei der „Dutch“ Clubtour?) und das schon erwähnte „Chasing Sunsets“, der neueste Song Of The Month. Wenn letzterer nicht auf dem nächsten Album ist und prominent auf der Setlist der nächsten Tour auftaucht, falle ich vom Glauben ab.

Bleibt die Frage: wer ist eigentlich dieser George? Schien bekannt zu sein, nur mir natürlich wieder nicht. Ein bisserl recherchiert, Charlottes Nach-Konzert-Instagram-Post intelligent interpretiert, 3 und 7 zusammengezählt…ich tippe mit 98,3%iger Sicherheit auf George Oosthoek, (unter anderem) einer der Sänger bei MaYan (nur echt in der niederländischen Wikipedia). Ich versuche weiter, Experte für niederländische Musikberühmtheiten zu werden, auch wenn ich für das laufende Jahrzehnt da wenig Hoffnung sehe.

Aktualisiert 2023-06-01 – etwas mehr Text, bessere Formulierungen

Man verzeihe mir den schlechten Wortwitz im Titel. Und den Abküfi – es geht um „Tales From 6 Feet Under – Live In Concert“ im Rahmen der „Dutch Clubtour“ von Charlotte Wessels, genauer um das Premierenkonzert im De Bosuil in Weert. Wobei: Premiere war ja im Oktober in Utrecht, aber da war die Idee der „Clubtour“ noch gar nicht offiziell geboren – das Utrecht-Konzert wurde quasi retrospektiv der Tour noch zugeordnet, davon kündet jedenfalls das (wunderschöne) Tour-T-Shirt.

Nun also Weert, verkehrsgünstig gelegen nahe Mönchengladbach – d.h. also verkehrsgünstig aus deutscher und vielleicht noch belgischer und luxemburgischer Sicht, Niederländer außerhalb von Limburg mögen da eine gegenteilige Ansicht vertreten. „De Bosuil“ ist der Club, auch genannt das „Paradiso von Limburg“ – dazu muss man wissen, dass das Paradiso in Amsterdam als quasi der heilige Ort der Club-Konzert-Szene in den Niederlanden gilt. Zumindest habe ich das so verstanden, ich will hier nicht den Experten für niederländische Clubkultur mimen, nichts könnte ferner der Realität sein.

Mein Online-Übersetzungstool erzählt mir, dass „De Bosuil“ übersetzt „Der Waldkauz“ bedeutet – ein genauso spannender wie nutzloser Fakt, und es scheint fast so, als wolle ich das Intro dieses Blog-Posts künstlich in die Länge ziehen, um irgendwie Spannung aufzubauen. Nichts könnte mir ferner liegen. Zur Sache also.

Wobei, eine Kleinigkeit noch vorab: der Name „Dutch Clubtour“ hat sich insofern als (für mich) überraschend zutreffend erwiesen, als dass Charlotte den Abend mit überwiegend holländischen Ansagen bestritten hat. Ich höre die Sprache gerne, aber Charlotte hat da ein Tempo drauf, wann immer man ein „klingt so ähnlich wie im Deutschen“-Wort erhascht hat und einen Sinnzusammenhang versucht herzustellen, ist sie schon zwei Sätze weiter. Und so habe ich beispielsweise die Erläuterungen zum Einsatz des Loopers nur partiell verstanden, als aufmerksamer Teilnehmer der Patreon-Hangouts weiß man aber natürlich trotzdem Bescheid.

Jetzt aber wirklich endlich zum Konzert. Wobei, vor dem Konzert ist immer der Besuch beim Merchandise-Stand angesagt. Charlotte bemüht sich ja immer, auch in der Design-Sparte zu glänzen. Das Club-Tour-T-Shirt ist auch wirklich eine absolute Schönheit geworden, auch wenn ich die von mir vorgeschlagene Fußnote bezüglich der monochromen Rückseite vermisst habe – kleiner Scherz am Rande für Discord-Insider. Lobenswert im „Cards Only“-Paradies Niederlande: Barzahlung war möglich. Auch eine großartige Idee: die Setlist zum Konzert gab es als Stück Holz mit eben jener Setlist eingraviert – mit Datum und Ort! – nebst Autogramm von Charlotte. Angesichts der Unmengen an Zeugs, die bei mir in der Gegend rumstehen, habe ich schweren Herzens von einem Kauf abgesehen, aber es sah schon sehr schmuck aus.

Kommen wir zum Support-Act bzw. „Special Guest“, wie es heutzutage heißt. Wobei, es gab da noch vor dem Auftritt von Blackbriar einen klitzekleinen Fauxpas mit der Vor-Konzert-Playlist – es ist einfach nicht statthaft, das wunderbare „Running Up That Hill“ von Kate Bush so rüde zu unterbrechen. Bemühungen um einen pünktlichen Konzertanfang hin oder her.

Jetzt aber wirklich und endgültig zur Sache. Blackbriar hat fast eine Stunde gespielt, wie sich herausstellte hatte die Sängerin Zora auch noch Geburtstag, was die recht zahlreich anwesenden Blackbriar-Fans als Anlass für das klassische Geburtstagsständchen genommen haben. Erwähnenswert auch, dass Blackbriar unter den Vorgruppen in meiner Kategorie „von denen kenne ich kein einziges Lied“ ganz weit vorne war (was gleichzeitig heißt, dass mein wie immer ambitioniertes Ziel „von denen höre ich mir vor dem Konzert mal ein paar Sachen an“ auch diesmal kläglich gescheitert ist). Sehr interessanter, gut anzuhörender melodischer Goth-Metal-Rock. Und Zora hat eine sehr schöne und auch besondere Stimme. Besonders zauberhaft, dass mit „Mortal Remains“ Charlottes Blackbriar-Lieblingssong in die Setlist aufgenommen wurde. Randnotiz: die beiden Gitarristen konnten sich haar- und bart-technisch nicht auf einen gemeinsamen Nenner einigen, spielten aber zum Ausgleich identisch aussehende Gitarren – nach dem, was ich über die persönlichen Vorlieben dieses besonderen bis eigenwilligen Menschenschlags bisher gelesen und gehört habe, fand ich das ungewöhnlich.

Dann endlich: Charlotte mit dem bereits aus Utrecht bekannten Band-Lineup. Logischerweise ging es auf der kleinen Bühne eines Clubs etwas enger zu als im großen Ronda-Saal im TivoliVredenburg, aber die Adaption an diese etwas intimeren Verhältnisse ist wirklich sehr gut gelungen, mein Kompliment. Der Screen, Claire, Eli am Cello, und sogar die beiden Tänzerinnen konnten sich noch unfallfrei bewegen. Clevererweise hat Charlotte diesmal auf den Kleiderwechsel mitten in der Show verzichtet, das hätte ganz sicher zu Chaos geführt.

Die Setlist:

  • Ouverture
  • Human To Ruin
  • Superhuman
  • Afkicken
  • Venus Rising
  • Source Of The Flame
  • Cry Little Sister
  • Good Dog
  • Toxic
  • Alles Wat Ik Wil (Duett mit Aafke Romeijn)
  • I Forget (mit Eli am Cello)
  • Victor (mit Eli am Cello)
  • A Million Lives
  • FSU (2020)
  • Combustion
  • The Phantom Touch
  • Soft Revolution

Zugaben:

  • The Final Roadtrip (mit Eli am Cello)
  • Against All Odds
  • All You Are

Outro:

  • Utopia

Für die Uneingeweihten: hinter „Eli“ verbirgt sich Elianne Anemaat, die schon zu Delain-Live-Zeiten die Streichersektion personifizierte und auch bei den Patreon-Hangouts ab und an für Kurzweil sorgt. Kompliment auch an Otto – seines Zeichens Bassist der Band – für die „harsh vocals“ bei Toxic. Sauber hingekriegt. Und so langsam werde ich auch warm mit „Good Dog“ und „FSU“, die ich lange in die Sektion „schwächere Songs“ einsortiert hatte. Charlotte war gesanglich in Hochform und hat auch die höchsten Töne makellos getroffen. Und wie immer der perfekte Mix aus Power und Gefühl. So muss Konzert.

Für mich überraschend: auf dem Weg vom Club zum Hotel – ein etwa 30minütiger Fußmarsch durchs nächtliche Weert, dessen Nachtleben am späten Samstagabend/frühen Sonntagmorgen ich nicht gerade als „überbordend“ bezeichnen würde (soll heißen: außer mir war keine Menschenseele unterwegs) – waren zwei Songs präsent in meinem Kopf, die ich vermutlich nicht in der Charlotte-Top-20 einsortiert hätte: „Venus Rising“ und „Alles Wat Ik Wil“. Das eigene Hirn. Da steckste nich drin.

So weit, so großartig und erfreulich. Als geborener Schwabe gibt es aber diesen inneren nicht unterdrückbaren Drang, auch im Falle einer rundherum gelungenen Veranstaltung ein paar „Bruddler-Punkte“ zu benennen. Dr Schwob bruddeld hald gern. Der Engländer würde es wohl als „nitpicking“ bezeichnen. Als Vergleichsmaßstab dient hier – unfairerweise – das Konzert in Utrecht im TivoliVredenburg im Oktober vergangenen Jahres  – das ist zugegebenermaßen eine Latte, die höher nicht liegen könnte.

Also, los geht es mit meinen Mini-Kritikpunkten. Die Setlist fand natürlich nicht meine volle Zustimmung. Keine Überraschung, weil noch keine Setlist in 35 Jahren Konzertbesuche das jemals getan hat. „Masterpiece“, der Feel-Good-Patreon-Song, wurde leider nur vom Band nach dem Konzert partiell gespielt. „Fool’s Parade“, einer meiner Lieblingssongs, hat es – möglicherweise in Ermangelung von Alissa White-Gluz – ebenfalls nicht auf die Setlist geschafft, obwohl ich sicher bin, dass das nicht zwingend eine Duett-Nummer sein muss. Aafke Romeijn wird es mir hoffentlich verzeihen, aber das ziemlich gute „Alles Wat Ik Wil“-Duett kann natürlich „Fool’s Parade“ und „Lizzie“ mit Alissa nicht adäquat ersetzen. Die „All You Are“-Zugabe war publikumsgesangstechnisch naturgemäß deutlich sparsamer ausgestattet als in Utrecht. Der Sound generell hat auch nicht meine ungeteilte Zustimmung gefunden, im Einzelfall nach meinem Geschmack etwas zu übersteuert, und in der Abmischung verbesserungswürdig – als Fan von Charlottes Gesang bevorzuge ich da eine etwas präsentere Abmischung, aber den Kritikpunkt äußere ich auch in schöner Regelmäßigkeit bei den SotM-Abmischungen, es könnte also auch einfach eine persönliche Macke sein.

Und zuletzt muss ich zugeben, dass Charlotte über all die Zeit, in der ich nun ihr rühriges Tun bewundere, bisher immer irgendeine Überraschung aus dem Ärmel gezaubert hat – das hat diesmal gefehlt, die Show war letztlich der auf die kleiner-Club-Bedürfnisse zusammengeschrumpelte kleine Bruder der Utrecht-Show. Dabei hätte ich eine längere Wunschliste gehabt – ich hätte gerne „Bühnenshow“ gegen „ein paar Lieder mehr“ getauscht, gerade die neuen Songs of the Month wie „Sweep Your Ashes“ oder „Butterfly Effect“ wären es wert, live gespielt und gehört zu werden. Oder „Vigor & Valor“, einer meiner Favoriten. Und ich plädiere für eine „Lost Songs Of The Month“-Tour mit allen Songs, die noch nie live gespielt wurden. Und außerdem eine Neuaufnahme aller Songs mit echten Musikern im Live-Arrangement. Und überhaupt (mit-dem-Fuß-auf-den-Boden-stampf)!

Nach diesem Gebruddel will ich aber einordnenderweise nochmal betonen, dass ich hier unterm Strich wirklich über unbedeutende Randdetails referiere. Das Gesamterlebnis „Tales From 6 Feet Under – Live In Concert“ ist einfach nur in der Kategorie „großartig und unvergesslich“ einzustufen. Ich will es mal so ausdrücken: wenn mich einer fragt, ob ich morgen nochmal 1000km per KfZ zurücklegen will, um erneut dabei zu sein: ja, klar, auf jeden Fall. Und jederzeit wieder. Und dann nochmal.

Ich schließe mit dem ebenso traditionellen wie verdienten „Very well done, Charlotte Wessels“. Für alle, die Weert verpasst haben: es gibt noch drei weitere Chancen. Obligatorischer Hinweis: Unterstützung über Patreon ist auch eine valide Option. Und alle Fans eint die Hoffnung, dass es mit dem kommenden Album auch wieder eine Tour geben wird – Daumen drücken! Do The Thing, Charlotte!

Nur Optimisten hatten das schon 2023 für möglich gehalten. Ich gehörte nicht dazu.

Es gibt nun tatsächlich nicht weniger als vier Möglichkeiten im Rahmen ihrer „Dutch Clubtour“, im April und Mai die wunderbare Charlotte Wessels live in concert zu genießen. Mit Blackbriar als Support Act. Und der hierzulande weitestgehend unbekannten Aafke Romeijn als Duettpartnerin bei Alles Wat Ik Wil bei den ersten beiden Konzerten.

Also zum Vormerken (direkte Kartenkauflinks über Charlottes Homepage):

Jeder sollte mindestens einmal im Leben Soft Revolution live gesehen haben. Obligatorischer Hinweis: Unterstützung über Patreon ist auch eine valide Option.

Randnotiz: Schön zu sehen, dass die Niederländer unseren Karfreitagsveranstaltungsverbotsquatsch nicht mitmachen.

Der vorherige Blog-Post konzentrierte sich mehr auf die allgemeinen Dinge des großartigen Konzertereignisses „Tales From Six Feet Under – Live In Concert“ von und mit der ebenso großartigen Charlotte Wessels im TivoliVredenburg in Utrecht am vergangenen Wochenende.

In diesem zweiten Beitrag zum Thema will ich mehr aus der und über die Community-Perspektive schreiben. Wie ich früher schon erwähnte, bin ich seit kurzem Unterstützer von Charlotte bei Patreon, und im Rahmen dieser Patreon-Community wurde beim Utrecht-Wochenende wirklich so einiges geboten. Nicht zuletzt soll dieser Beitrag ein großes Dankeschön an alle sein, die dazu beigetragen haben, dass dieses erlebte Wochenende mir wirklich unvergesslich bleiben wird. Es gibt in dieser Patreon-Community eine ganze Menge netter Menschen, die zudem viel Zeit und Kreativität investieren, wovon dann auch Leute wie ich profitieren dürfen.

Beginnen wir mit dem organisatorischen Vorlauf zum Wochenende hin. Die Rahmenbedingungen waren gegeben: die meisten Patrons würden schon mindestens am Abend vorher in der Stadt sein, Konzert dann am Sonntagabend, und als krönender Abschluss der „Hangover Hangout“ am Montagmorgen. Dazu muss man wissen, dass ein (zumindest für mich) nicht unwichtiger Teil von Charlottes Patreon-Bemühungen die monatlichen „Hangouts“ sind, ein Online-Videostream, wo sie Fragen beantwortet, Lieder für uns singt, Neuigkeiten verkündet und generell die Community pflegt. Sehr kurzweilige 90 bis 120 Minuten, teils sympathisch-chaotisch, ein echtes monatliches Highlight. Und nun also ein erster „Live-und-in-Präsenz“-Hangout am Morgen nach dem Konzert. Und so wurde im Discord-Chat um diese Rahmenbedingungen herum das Wochenende weiter angereichert.

Denn dankenswerterweise fanden sich freundliche Menschen, die Meetups vor dem Konzert organisierten, damit sich die Patrons vorher treffen, kennenlernen und austauschen konnten. Mein erstes Hineinschnuppern begann Samstag Abend in einem sehr wenig irisch anmutenden Pub namens „Little Dublin“, wo ich einige Leute treffen konnte, die ich vorher nur aus dem Discord-Chat kannte. Herausforderungen: Konversationen auf Englisch folgen in einer eher „lauten“ Umgebung, und immer versuchen den Realnamen und das Discord-Pseudonym und das Gesicht irgendwie im Gedächtnis zu verankern. Ich war nur mäßig erfolgreich. Das tat dem vergnüglichen Abend aber keinen Abbruch, besonderer Dank an die „Stuttgart-Gang“. Und der Rückweg in der Nacht vom Pub zum Hotel zeigte einmal mehr, dass Google Maps auf dem Smartphone ein unverzichtbares Werkzeug der Neuzeit ist. Wie hat das früher funktioniert? Patentgefalteter Falk-Stadtplan und Taschenlampe? Ich erinnere mich nicht mehr.

Zum Lunch am Sonntag traf man sich dann in kleiner geselliger Runde im „Karibu“, einem afrikanischen Restaurant im Norden der Innenstadt von Utrecht, direkt jenseits der rund-um-Utrecht-Inner-City-Gracht (klingt komisch – ein Blick auf Google Maps macht hoffentlich klar, was ich meine). Günstig gelegen für den anschließenden Besuch bei Pien im Griftpark – das ist eine sehr spezielle Story, in der erwachsene Menschen in einen Streichelzoo pilgern um eine beinahe berühmte Ziege zu besuchen. Die Sinnhaftigkeit des Unterfangens erschließt sich hier nur dem wahren Fan und Insider. Jedenfalls war es in Summe kein kulinarisches Highlight, aber definitiv ein tierisches. Und ein kommunikatives. Und ich konnte den freundlichen Utrechter treffen, der sich die viele Mühe gemacht hat, zwei der Pre-Show-Meetups zu organisieren. Wer jemals versucht hat, so viele Menschen unter einen Hut zu bringen, weiß das zu schätzen. Nebenerkenntnis: Bargeld ist in den Niederlanden weitgehend aus der Mode. Und deutsche EC-Karten funktionieren nicht immer. Google Pay und V-Pay aka Visa Debit hat es in meinem Falle gebracht.

Es folgte Dinner im „Bunk“-Restaurant, einer umgebauten ehemaligen Kirche, in etwas größerer Runde. Was sich später als etwas kompliziert in der Abwicklung der Zahlungen herausstellte, aber gute Organisation ist eben nicht jedem Restaurant gegeben. Auch hier kein kulinarisches, aber ein kommunikatives Highlight, wo ich ein paar neue Gesichter schon bekannten Discord-Pseudonymen zuordnen konnte. Auch wenn es im Hirn langsam etwas eng wurde, mein Personengedächtnis ist sowieso eher miserabel. Danach ging es dann gemeinsam zum TivoliVredenburg und der großen „Wartetreppe“ rauf zum Konzertsaal, wo schon jede Menge Fans den Einlass begehrten, um entweder beim Merchandise zuzuschlagen oder sich die besten (Steh-)Plätze im Saal zu sichern. Ich bin da traditionell nie in vorderster Front, habe geduldig beim Merchandise auf die Chance zum Kauf des unvermeidlichen Konzert-T-Shirts gewartet, und mich hinten im Saal einsortiert. Da hat man nicht nur die Künstler, sondern auch die Fans im Blick und etwas mehr Bewegungsfreiheit, ohne anderen Besuchern auf die Nerven zu fallen.

Zum Konzert selbst habe ich im vorigen Post ja schon einiges geschrieben, also direkt weiter zum Nachkonzertgeschehen. Vor allem die NSFW-Crew wartete geduldig auf das traditionelle Post-Concert-Meetup mit der Band. Ich bin nicht so der meet-and-greet-Fanatiker und bin generell immer eher der Auffassung gewesen, dass man den Künstlern gerne auch nach der Show ein bisserl Ruhe gönnen darf. Aber die Herzlichkeit von beiden Seiten beim nachkonzertlichen Austausch nebst unvermeidlicher Fotosessions und Signierung diverser Devotionalien hat mich da nachdenklich gemacht – ich hatte wirklich den Eindruck, dass Charlotte und Band da einen speziellen Draht zu den Fans haben und das ganze keine Last und Pflichtaufgabe, sondern echtes Vergnügen war. Schön zu sehen. Derweil pflegte ich zwei längere Konversationen mit höchst sympathischen Zeitgenossen – es hat seinen Vorteil, wenn man die Community schon vorher etwas kennengelernt hat, da fühlt man sich auch als Alleinreisender alles andere als allein. Ein echtes Highlight für mich.

Am nächsten Morgen dann das, was sich als das eigentliche Highlight nichtmusikalischer Natur herausstellen sollte: der Hangover Hangout, live im Gys, einem vegetarisch-vegan-biologisch-dynamisch angehauchten Restaurant gleich ums Eck des Hotels, in dem ich übernachtete. Die zwei Stunden dort vergingen wie im Flug, und trotz der Enge und des nicht unerheblichen Lärmpegels war es einfach super. Jetzt wieder nicht kulinarisch gesehen, sondern kommunikativ. Und Community-technisch, denn die Patrons haben zum Abschluss für Charlotte die wirklich wunderschönen Zeilen aus „Soft Revolution“ gesungen, und es ist wohl den „Vorsängern“ zu verdanken, dass das wirklich sensationell gut geklappt hat – ich hatte da vorher so meine Bedenken, als ich die Idee gehört habe, aber die waren schon nach der ersten Zeile wie weggeblasen.

I call for a soft revolution tonight
A soft spoken yet deafening battle cry
We’ll drive out the demons with only a dream
We’ll sing till we’re sore even if we can’t sing

I call for a soft revolution tonight
A soft spoken yet deafening battle cry
I’ll do all the things they said I couldn’t do
I’ll run for my life, I’m not running from you

Die Veranstaltung endete dann mit einer weiteren Selfie-Foto-Signier-Session, wo ich nicht umhinkam, erneut die Geduld und Freundlichkeit von Charlotte zu bewundern. Beardboy erzählte uns, während wir in der Schlange warteten, von den derzeit stattfindenden Renovierungsarbeiten im Nachbarhaus und dem daraus resultierenden Bohrer- und Sägeneinsatz ab 7 Uhr in der Früh. Es steht also zu erwarten, dass das nächste Album von Charlotte einen starken Industrial-Sound-Einschlag haben wird.

Wie ich schon erwähnte, bin ich nicht so der Autogrammjäger oder Foto-mit-Künstler-Interessierte. Jedes Foto von Charlotte könnte nur schlechter werden, wenn ich auch mit drauf bin. Aber ich habe die Chance genutzt, Charlotte persönlich meine große Wertschätzung und Freude über ihr Tun und Schaffen mitzuteilen. Ich hoffe, meine englischen Sprachkenntnisse haben ausgereicht, das adäquat rüberzubringen.

Und so endete diese „Community Experience“, ein unvergessliches Wochenende, ein echtes Highlight. Danke an alle Beteiligten, die das möglich gemacht haben.

Ich denke, Charlotte Wessels sollte Kurse und Beratungsleistung anbieten zum Thema „Community Building“. Was sie geschaffen hat mit ihrer Patreon-Community ist wirklich außergewöhnlich. Ich kann das gar nicht genug loben und meine Wertschätzung zum Ausdruck bringen. Man muss sich nur vor Augen führen, was alles im Vorfeld des Konzerts zusätzlich passiert ist. In einer Zeit der intensiven Vorbereitung auf ein so großes Event, in der es eigentlich keine freie Minute gibt, wurde das Release von „Tales From Six Feet Under Vol.II“ gebührend gefeiert, das Video zu „Venus Rising“ veröffentlicht nebst der Organisation der End Credits, der Hangover-Hangout ins Leben gerufen und geplant, neuer Merchandise auch fürs Konzert finalisiert, der Patreon-Rabatt für den Merchandise-Kauf beim Konzert organisiert, die Bilderserie für die Projektion während „Masterpiece“ beim Konzert organisiert, der Oktober-„Song of the Month“ finalisiert und released (ein Song von großartiger Qualität, nebenbei bemerkt: „Fool’s Parade“, eine erneute Zusammenarbeit mit Alissa White-Gluz). Wüsste man es nicht besser, man würde ein riesiges Team an Mitarbeitern hinter dieser Unternehmung vermuten.

Das ganze Ausmaß der Hingabe, des Engagements, der Professionalität, der liebevollen Detailarbeit – es lässt einen beinahe in Ehrfurcht erstarren.

Meine Liste von Menschen, die eine Community so pflegen, wie ich mir das idealerweise vorstelle, hat nun also zwei Einträge: Charlotte Wessels und Daniel Stenberg, Mastermind hinter curl bzw. libcurl. Den ehrenwerten dritten Platz würde ich an Alexej Melnikov aka Sorgelig vergeben, der treibenden Kraft hinter MISTer. Ja, ich bin halt etwas IT-lastig unterwegs.

Und ich schließe mit einem neuerlichen „Very well done, Charlotte Wessels“. Ich kann das nicht oft genug sagen. Und feiern. Und loben.

Es war nach langer Zeit mal wieder Konzertwochenende. Charlotte Wessels, „Tales From Six Feet Under – Live in Concert“ im TivoliVredenburg in Utrecht, Niederlande. 1200km Autofahrt und zwei Hotelübernachtungen für eine 3h-Veranstaltung? Ob hier Aufwand und Ertrag in einem vernünftigen Verhältnis stehen, liegt natürlich im Auge des Betrachters. Ich hatte irgendwann im Juli, als ich spontan die Karte gekauft habe, auch so meine Zweifel. Im Nachhinein muss ich feststellen, dass diese unbegründet waren. Im Rückblick würde ich sogar sagen „absurd unbegründet“.

Ich will das Gesamtereignis aus zwei unterschiedlichen Perspektiven beleuchten. Was folgt ist zunächst die Betrachtung als „normaler“ Besucher eines Rockkonzerts, der ich ja auch irgendwie war. Die zweite Perspektive wird die Patron-Perspektive sein und mehr den Community-Aspekt des ganzen Events beleuchten – da gab es extrem viele Eindrücke zu verarbeiten, ich arbeite noch dran und will kein Publikationsdatum versprechen.

Aber starten wir mit etwas persönlicher Historie. Die Geschichte meiner Besuche von Rockkonzerten irgendwo weit weg ist relativ kurz und umfasst wenig mehr als Fish-Fanclubkonzerte (Oberhausen, Duisburg, Enschede) und a-ha (Köln), alles andere spielte sich letztlich im Raum Stuttgart-München-Frankfurt ab. Wie man sieht, sind Besuche im Ausland extrem selten. Diesmal also Utrecht. Die Niederlande sind ja mautfreies Gebiet, warum also nicht mal ins Auto steigen, 600km fahren und sich mal Utrecht anschauen. Gilt als „Klein-Amsterdam“ ja durchaus als sehenswert.

Zunächst ist festzuhalten, dass die Erfindung von satellitengestützter Navigation zu den ganz großen Erfindungen der Menschheit gehört. Ich würde vermutlich heute noch planlos durch die Sträßchen von Utrecht fahren – immer auf der Hut vor dem nächsten Fahrradfahrer mit zweifellos selbstmörderischen Absichten – und nach dem Hotel suchen. Auch wenn sich das Navi kleinere Schwächen beim Thema „Einbahnstraßen“ geleistet hat und zur Streckenberechnung wirklich unglaublich viel Zeit braucht (viel länger als seine Vorgängerversion, die maximal im Ein-Sekunden-Bereich jemals den Hinweis „Route wird berechnet“ angezeigt hat). Besonders schlecht: das Navi stellt jedes Mal erneut fest, wo es eigentlich gerade ist, ganz so als ob es keine plausible Hypothese wäre, dass so ein Festeinbau-Navi doch immer noch an genau der Stelle sein könnte, wo das Auto das letzte Mal abgestellt wurde. Aber ich schweife ab.

Jedenfalls ist die Innenstadt von Utrecht ein Albtraum für Autofahrer – enge Gassen, viele Fahrräder, optimistische Fahrradfahrer und Fußgänger, und man tut gut daran, sich eher mal in Richtung Schrittgeschwindigkeit zu bewegen – was dann dazu führt, von den Fahrradfahrern überholt zu werden, was das Gefahrenmoment nicht unbedingt verringert. Münster auf Speed. Die Alternativen – Anreise mit Flieger und/oder Bahn, oder Auto irgendwo außerhalb parken und dann mit Öffis in die Innenstadt fahren – habe ich aufgrund von Risikoabwägungen und Planungsaufwand frühzeitig verworfen. In Anbetracht der gemachten Erfahrung würde ich nächstes Mal tatsächlich zur Park+Ride-Taktik tendieren und auf den letzten Kilometern den Öffis vertrauen.

Die Extra-Motivation, um ausgerechnet dieses Konzert zu besuchen, ist ehrlich gesagt eher trauriger Natur. Nach eingehender Beschäftigung mit der Gesamtsituation befürchte ich leider, dass dieses Konzert eine Einzelveranstaltung bleiben wird und die Chancen, dass daraus eine ganze Tour wird, leider recht gering sind. Kommerzielle Realitäten und das Gesamtsetting der Beteiligten, die auf vielen Hochzeiten tanzen, lassen mich das vermuten (und ich hoffe inständig, dass ich mich irre). Also: „once in a lifetime chance“, wenn das keine ausreichende Motivation entfaltet, was denn dann.

Wer die letzten Wochen meine Beiträge hierzublogs gelesen hat (ja, Euch beide meine ich – meine treuen regelmäßigen Leser!), weiß, dass ich mich bezüglich Charlotte Wessels ein wenig dem Fantum hingegeben habe. Ich finde sowohl ihre Sangeskünste als auch ihr Songwriting großartig und dementsprechend war meine Erwartungshaltung bezüglich des Konzerts durchaus im anspruchsvollen Bereich. Und was soll ich sagen: alle meine Erwartungen wurden weit übertroffen. Was Charlotte Wessels da auf die Beine gestellt hat – angefangen von den Musikern über die liebevolle Setlist bis zur Bühnenshow – Respekt. Für solche Dinge hat der Engländer Wörter wie „awesome“, „phantastic“, „marvellous“ oder „sensational“ erfunden. Unterstützung von Eli (Elianne Anemaat) am Cello, dazu als Gast Alissa White-Gluz für Toxic, Lizzie und Fool’s Parade – da bleiben keine Wünsche offen. Miteinbezug des Publikums, die Hymne „Masterpiece“ für die Patrons, die richtige Mischung bei der Ansprache des Publikums zwischen „für alle“ und „für die Hardcore-Fans“. Richtig gut gemacht. Müsste ich einen Kritikpunkt finden, es wäre die erwartet schwierige Umsetzung von „Soft Revolution“ in eine überzeugende Live-Version die meiner Wertschätzung für diesen Song gerecht werden würde.

Die Setlist:

  • Ouverture
  • Human To Ruin
  • Superhuman
  • Afkicken
  • Venus Rising
  • Source Of The Flame
  • Cry Little Sister
  • Good Dog
  • Toxic (mit Alissa White-Gluz)
  • Fool’s Parade (mit Alissa White-Gluz)
  • Lizzie (mit Alissa White-Gluz)
  • I forget (mit Eli am Cello)
  • Victor (mit Eli am Cello)
  • A Million Lives
  • FSU (2020)
  • Combustion
  • The Phantom Touch
  • Masterpiece
  • Soft Revolution

Zugaben:

  • The Final Roadtrip (mit Eli am Cello)
  • Against All Odds
  • All You Are

Outro:

  • Utopia

Eigentlich fehlt hier nur „Vigor & Valor“ und vielleicht „Go To Sleep“ unter meinen Favoriten. Aber ich könnte jetzt auch nicht sagen, was man dafür hätte weglassen sollen, also: alles gut.

Mit größter Freude habe ich außerdem zur Kenntnis genommen, dass viele der Songs in der Live-Performance durch echte Musiker (die „Six Feet Under“-Songs sind ja weitgehend in Isolation am Computer mit Instrumenten-Plugins in Cubase entstanden) wirklich gewonnen haben. Auf eine angenehme Weise wirkten sie für mich im Live-Arrangement rockiger, metalliger. Sehr schön. Außerdem hatte ich das ganze Konzert das Gefühl, dass da gute Freunde zusammen auf der Bühne einen Heidenspaß daran hatten, zusammen zu musizieren, und diese Stimmung ist letztlich auch im Publikum angekommen. Ein Abend unter Freunden, eine wirklich tolle Atmosphäre.

Erfreut kann ich außerdem berichten, dass ich auch dieses Mal viele der Songs textlich neu erfahren konnte. Das passiert mir bei englischsprachigen Künstlern immer wieder, dass ich beim Hören aus der Konserve nicht so auf den Text achte bzw. manchmal so meine Verständnisschwierigkeiten habe und dann zu faul bin die Lyrics nachzulesen. Um dann bei der Live-Performance durch die andere oder bessere Verständlichkeit die Texte neu auffassen zu können.

Nach Konzerten, auf der Heimfahrt, habe ich normalerweise die Angewohnheit, musikalisch eher ein Kontrastprogramm zu fahren. Das war diesmal anders: Tales From Six Feet Under Vol.I, Tales From Six Feet Under Vol.II, alle Songs Of The Month die nicht auf Vol.I und Vol.II zu finden waren, und dann nochmal von vorne. Ich werde dieser Musik nicht überdrüssig.

Very well done, Charlotte Wessels.

Ich hatte im vorigen Beitrag von einigen Musikneuentdeckungen berichtet, und entgegen meiner sonstigen Gewohnheit „erst mal kaufen, dann eine Weile abhängen lassen, dann auf den Auto-USB-Stick und nach und nach durchhören“ kann ich schon jetzt von einigen ersten Ergebnissen und Erfahrungen berichten. Aber nur von einer Künstlerin und einer Band: Charlotte Wessels und Delain.

Das Schmerzhafte vorab: die Band hat sich 2021 getrennt, und wenn man sich die Interviews der Ex-Bandmitglieder danach so anhört oder durchliest, war das Auseinandergehen nicht ausschließlich freundschaftlich (aber immerhin scheinen sich alle Beteiligten recht professionell verhalten zu haben, was in diesem Business ja auch nicht selbstverständlich ist). Und warum ist es schmerzhaft? Weil die Lieder von Delain „genau meine Mucke sind“ (wie die coolen Jungs in den 80ern zu sagen pflegten). Einfach mal auf YouTube ein paar der „Official Videos“ probehören und dann tiefer in die diversen Alben einsteigen – meine Song-Favoriten sind derzeit: The Gathering, We Are The Others (vor allem die neuere Balladen-Version, die IMHO besser zum Thema des Songs passt), Are You Done With Me, Get The Devil Out Of Me, Breathe On Me, Here Come The Vultures, Stardust, Suckerpunch, Fire With Fire, Burning Bridges, Masters Of Destiny, The Greatest Escape…insgesamt kommt die Musik meinen Hörgewohnheiten sehr entgegen, denn die Alben sind durchgängig von hoher Qualität, quasi kein Song mit großartigem Durchhänger. Also „Alben hören“ wie ich es am liebsten mache.

Nun kennt man bzw. mindestens ich das Thema „Band trennt sich“ ja von früher. Ich habe Marillion jenseits von Kayleigh auch erst wirklich für mich entdeckt, als Fish schon auf Solopfaden wandelte – und nach der Trennung neigte ich deutlich mehr zu Fish als zur Rest-Band mit neuem Sänger, mit dem ich nie warm wurde. Und genau hier entwickelt sich die Parallele: Charlotte Wessels macht gerade (oder genauer: schon seit Mai 2020, aber ich bin ja „late to the party“) eigenständig weiter und hat sich quasi selbständig gemacht um mittels Fan-Unterstützung über Patreon ihre Kunst unabhängig weiterzutreiben. Und sie ist da sehr rührig: jeden Monat am 13. gibt es einen – der Name ist Programm – „Song Of The Month“, in ganz unterschiedlichen Stilrichtungen, die teils auch sehr weit weg sind vom Delain-Style. Vor allem zeigt das aber, dass Charlottes sensationelle Stimme zu wirklich vielen Stilrichtungen passt. Der beste Song dieser inzwischen 26 Kreationen ist meines Erachtens „Soft Revolution“ (das in voller Länge bei YouTube genossen werden kann) – Anhören, gut finden, und vielleicht auch bei Patreon Unterstützer werden. Zugriff auf die „Song Of The Month“-Kollektion gibt es schon im niedrigsten Unterstützerlevel für gerade mal 3€ (zzgl. diverser Gebühren/Steuern) pro Monat, ab 5€ kann man an den „monthly hangouts“ teilnehmen, was durchaus Unterhaltungswert hat, wie ich festgestellt habe. Um die ganze Bandbreite aufzuzeigen: direkt nach „Soft Revolution“ am besten „Against All Odds“ anhören.

Nun kann ich nicht gerade sagen, dass „Fantum“ für irgendwas mein Ding ist. VfB-Abstiege habe ich eher achselzuckend zur Kenntnis genommen. Das letzte gecancelte Fish-Konzert – tja, was soll man machen. Keine Konzerte während der Corona-Zeit – einfach hingenommen. Eine Band hat sich getrennt, ohne dass ich sie je live gesehen habe – passiert, nicht so schlimm. Warum also die Patreon-Geschichte bei Charlotte Wessels? Ich habe keine Ahnung. Ich entdecke da einfach viele interessante Aspekte, beispielsweise teilt sie auch diverse Infos über ihren Songwriting-Prozess und wie man heutzutage mit den modernen Computer-Tools solche wirklich professionell anmutenden Produktionen im Alleingang zusammenbauen kann. Aufgrund völliger musischer Talentfreiheit werde ich in meinen Leben ganz sicher niemals einen Song produzieren, aber interessieren tut es mich trotzdem. Wer hätte gedacht, dass Cubase von Steinberg immer noch ein aktuelles Stück Software ist? Kenne ich noch aus den Atari ST-Gründerzeiten, als das noch die führende Low-Cost-MIDI-Plattform war.

Noch mal zurück zu Charlottes großartiger Stimme: ein Amazon-Rezensent hat bei irgendeinem Delain-Album für Charlotte Wessels den Begriff „Goldkehlchen“ benutzt. Ich weiß nicht, ob die Verniedlichungsform dieser ausgewachsenen Stimme angemessen ist, aber „Gold“ trifft es in jedem Fall.