Manche Dinge ändern sich nie. SPIEGEL Online berichtet über die Vorstellung zweier neuer Plattenspieler von Sony und Technics (Panasonic) auf der CES.
Schon der Artikel ist von zweifelhafter Qualität. Da werden lange bekannte Features als Neuheit verkündet (Phono-Vorverstärker und A/D-Wandler schon im Gerät integriert – übrigens eine höchst sinnvolle Maßnahme, weil gute MM- und MC-Vorstufen in Verstärkern sehr rar geworden sind). Und die beschworene Totsagung von Vinyl geistert schon seit Anbeginn der Digitalisierung der Musikwelt durch praktisch jeden Artikel, ohne dass es je Fakt geworden wäre. Dazu wie immer die Abwertung von MP3 als Musikformat, obwohl doch nun hinreichend nachgewiesen ist, dass bei guten Encodern und ausreichender Bitrate für das menschliche Ohr kein Unterschied zum unkomprimierten Ausgangssignal zu hören ist.
Sehr richtig, aber höchstwahrscheinlich unabsichtlich charakterisiert der Artikel einen wichtigen Grund für Vinyl-Freunde: man mag den “Sound”. Ja, Vinyl kommt unabdingbar mit Einschränkungen und Verzerrungen bezüglich des Originalsignals daher und hat daher “Sound”. Und ist deshalb kein gutes HiFi. Ist ähnlich wie mit vielen Röhrenverstärkern, die durch bestimmte Verzerrungen des Signals für manche Ohren angenehmeren “Sound” produzieren. Man kann das mögen. Aber es ist nicht HiFi im eigentlichen Sinne.
Dagegen amüsiert die Vorstellung, dass die Sensoren im Technics-Wunderwerk in der Lage sind, schon “drohende Vibrationen” wahrzunehmen. Wird sicher unter dem Schlagwort “Vibration Prediction” noch berühmt werden.
Nun ja. Warum sollten technische Artikel von SPIEGEL Online auch eine höhere Qualität haben als politische? Richtig witzig wird es sowieso dann erst im Diskussionsforum zum Artikel. Die dort ablaufenden Diskussionen erinnern 1:1 an die 90er im Fidonet (Audio.ger) und Usenet (de.rec.music.hifi – inzwischen umbenannt in de.rec.musik.hifi), wo auch schon Leute ihr Nichtwissen über die digitale Audiotechnik zum Besten gegeben haben.
Wer bis heute glaubt, analog sei irgendwie “besser” als digital, kann sich seinen Irrtümern auf zwei Weisen stellen. Theoretisch orientierte Menschen lesen in Wikipedia das Nyquist-Shannon-Abtasttheorem nach, praktisch orientierte Menschen organisieren einen Doppelblindversuch mit “rein analog” vs. “analog -> A/D-Wandler -> D/A-Wandler”.
Mit speziellem Gruß an die alten de.rec.music.hifi-Recken wie Andreas Hünnebeck, Muck Krieger, Frank Klemm und Patrick Piecha, die unermüdlich Aufklärungsarbeit für alle Freunde des Bedini Clarifiers und schwarzer Randbemalung von CDs geleistet haben.
Nach wie vor lesenswert und ein echtes Zeitdokument: die FAQ von de.rec.musik.hifi.